Godspeed | Die Ankunft
wirklich hören will. »Geht es dabei um meinen Dad?«
»Dein Dad ist ein guter Soldat«, sagt Emma. »Er folgt den Regeln der Mission.«
Meine Finger schließen sich um den Glaswürfel. Was hat
der
mit den Regeln der Mission zu tun?
»Ich war schon in vielen Ländern«, wechselt Emma plötzlich das Thema. »Und jetzt auch in einer ganz neuen Welt. Aber ich habe mich noch nie
dépaysement
gefühlt.«
»Was ist de-peh … äh?« Ich kann das Wort nicht einmal aussprechen.
»
Dépaysement.
Das ist so ähnlich wie … Heimweh?« Emma schüttelt den Kopf und die dunklen Locken wippen gegen ihre Wangen. »Das ist nicht das richtige Wort dafür. Es bedeutet … dass man das Gefühl hat, nicht zu Hause zu sein.«
»Das verstehe ich nicht«, sage ich. Das soll nicht heißen, dass ich das Wort nicht verstehe – ich verstehe nur nicht, wieso sie mir das alles erzählt.
»Ich habe schon vor langer Zeit gelernt, dass
Zuhause
ein Wort ist, das sich auf Menschen bezieht, nicht auf Orte. Deswegen hat es mich nicht gestört, mich für diese Mission zu melden. Es war mir egal,
wo
ich war – wichtig war nur, mit
wem
.«
Emma hält den Kopf schief – ich höre es auch. Mom und Chris kommen zurück. »Ich gebe dir dies«, sagt sie und schaut auf den Glaswürfel in meinen Händen, »weil dir und Junior die militärische Seite der Mission vollkommen gleichgültig ist. Euch ist es egal, was die FRX will. Euch geht es nur darum, aus diesem Planeten ein
Zuhause
zu machen.«
»Und worum geht es
Ihnen
?«, frage ich und sehe sie prüfend an.
»Das spielt keine Rolle«, antwortet sie traurig. »Ich bin beim Militär. Ich muss die Befehle befolgen.
Du
nicht.«
Sie schaut sich hastig um. »Schnell«, drängt sie. »Versteck es.«
Ihr eindringlicher Tonfall lässt mich herumwirbeln. Ich springe in die winzige Ecke Privatsphäre, die mir mein »Zimmer« aus Zeltleinwand gewährt, und werfe den Glaswürfel in meinen Schlafsack, wo ihn niemand sehen kann.
»Amy?«, ruft Mom.
Ich komme aus meiner Ecke. Emma ist fort.
»Bist du so weit?«, fragt Mom.
Als wir Moms Labor im Shuttle erreichen, bin ich vollkommen durchgeschwitzt – ich wünschte, es gäbe noch ein Gewitter, damit es abkühlt. Aber dann fallen mir die Suchtrupps und Kit wieder ein, und ich bete, dass es nicht regnet.
Die Leiche von Dr. Gupta ist nicht mehr in Moms Labor, was mich sehr erleichtert. Es waren einfach zu viele … Fetzen. Wie bei Juliana Robertson. Ich schlucke trocken und versuche, das reißende, knirschende Geräusch zu vergessen, das der Ptero gemacht hat, als er Dr. Gupta gefressen hat.
Irgendwie wandern meine Gedanken zu Lorin. Auch sie wurde tot aufgefunden, aber sie kann nicht von einem Ptero getötet worden sein. Das Entsetzen über den Tod von Dr. Gupta und Juliana hat alle vergessen lassen, dass Lorins unversehrter, offenbar unberührter Körper bei Weitem die gruseligere Leiche war.
»Die Geologen müssen noch weitere Tests machen, bevor sie meine Hilfe brauchen können«, berichtet Mom, die bereits an ihrem Arbeitsplatz im Labor steht. Sie hat ein Reagenzglas mit einer zähen Flüssigkeit in der Hand. Sie ist dunkelrot, beinahe schwarz.
»Was ist das?«, frage ich.
»Ptero-Blut.«
Ich werfe einen Blick hinter mich. Dr. Gupta ist zwar verschwunden, aber der Ptero ist noch da und liegt auf den Metalltischen. Mom hat ihn bereits seziert und seine Organe gewogen, und obwohl das ganze Labor danach stinkt, ist sie noch nicht fertig mit ihm.
Ich versuche, den Würgereiz zu unterdrücken, den der Gestank des Blutes bei mir auslöst. Als ich mir den Handrücken vor die Nase halte, wirft Chris mir einen verständnisvollen Blick zu.
»Ich möchte, dass du die Blutuntersuchung machst«, sagt Mom. »Bisher haben wir uns auf die Opfer konzentriert – jetzt lass uns die Monster untersuchen.«
»Aber wir wissen doch, was den Ptero getötet hat«, sage ich. Meine Kugeln.
Mom reicht mir wortlos die Probe und wir arbeiten gemeinsam an der Untersuchung des Ptero-Bluts.
Als alle Tests abgeschlossen sind, liest Mom den Computerausdruck laut vor. »Alles negativ«, sagt sie. »Abgesehen von einer genetischen Modifizierung.«
Das kann ich nicht glauben. Als ich mit Junior über die Pteros gesprochen habe, hielt ich es noch für unmöglich, dass sie von den ersten Siedlern durch Genmanipulation geschaffen wurden. Die Veränderung von Genen wurde auf der Erde erfunden – der
Sol
-Erde. Sie sollte hier überhaupt nicht vorkommen und schon
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