Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Frage.
Achilles: Genau!
Schildkröte: Es ist sicher nützlich, „MU“ zur Hand zu haben. Ich würde selber gerne manchmal ein paar Fragen un-fragen. Ich glaube, ich beginne Zen langsam zu kapieren. Sind Ihnen noch andere Kōans bekannt, Achilles? Ich würde gerne noch welche hören.
Achilles: Mit Vergnügen. Ich kann Ihnen ein Kōan-Paar erzählen, das zusammengehört. Nur ...
Schildkröte: Was ist?
Achilles: Nun, es gibt da ein Problem. Obgleich beide Kōans sehr oft erzählt worden sind, hat mein Meister mich gewarnt, daß nur einer der beiden echt sei. Und außerdem weiß er nicht, welcher echt ist und welcher eine Fälschung.
Schildkröte: Verrückt! Erzählen Sie mir doch beide, und wir können nach Herzenslust spekulieren.
Achilles: Also gut. Einer der angeblichen Kōans lautet:
Ein Mönch fragte Baso: „Was ist Buddha?“
Baso sagte: „Dieser Geist ist Buddha.“
Schildkröte: Hm ... „Dieser Geist ist Buddha“? Manchmal verstehe ich nicht so recht, worauf diese Zenleute hinauswollen.
Achilles: Dann ziehen Sie vielleicht den anderen angeblichen Kōan vor.
Schildkröte: Wie lautet er?
Achilles: Folgendermaßen:
Ein Mönch fragte Baso: „Was ist Buddha?“
Baso antwortete: „Dieser Geist ist nicht Buddha.“
Schildkröte: Au weia? Als wenn mein Panzer weder grün noch grün ist? Sowas hat man gern!
Achilles: Nun, Herr Schildkröte, es geht nicht darum, Kōans „gernzuhaben“.
Schildkröte: Also gut — ich habe sie nicht gern.
Achilles: Schon besser. Nun, wie ich sagte, mein Meister glaubte, daß nur einer der beiden Kōans echt ist.
Schildkröte: Ich kann mir nicht vorstellen, wie er zu dieser Überzeugung kam. Wie dem auch sei, ich nehme an, daß das alles nur von akademischem Interesse ist, da es keine Methode gibt, um festzustellen, ob ein Kōan echt oder ein Schwindel ist.
Achilles: Da irren Sie sich. Mein Meister hat uns gesagt, wie man das macht.
Schildkröte: Tatsächlich? Ein Entscheidungsverfahren für die Echtheit von Kōans? D ARÜBER wüßte ich aber brennend gerne noch ein bißchen mehr.
Achilles: Es ist ein ziemlich komplexes, zweistufiges Ritual. Im ersten Studium müssen Sie den fraglichen Kōan in ein dreidimensionales verknotetes Stück Faden ÜBERSETZEN .
Schildkröte: Komische Sache. Und was ist das zweite Studium?
Achilles: O, das ist leicht, man braucht lediglich festzustellen, ob der Faden Buddha-Natur hat oder nicht! Wenn ja, dann ist der Kōan echt, wenn nicht, eine Fälschung.
Abb. 45 . La Mezquita , von M. C. Escher (Zeichnung, 1936).
Schildkröte: Hm. Das klingt, als hätten Sie lediglich die Notwendigkeit eines Entscheidungsverfahrens in einen anderen Bereich verschoben. J ETZT brauchen Sie ein Entscheidungsverfahren für Buddha-Natur. Und dann? Schließlich können Sie nicht einmal sagen, ob eine D OGGE Buddha-Natur besitzt oder nicht. Wie kann man dann erwarten, es für jeden möglichen Faden zu tun?
Achilles: Nun, mein Meister erklärte mir, daß die Verschiebung von einem Bereich in den anderen hilfreich sein kann. Es ist, wie wenn man seinen Standpunkt ändert. Die Dinge sehen manchmal unter einem Gesichtswinkel kompliziert aus, aber unter einem anderen einfach. Er gab das Beispiel eines Obstgartens, in dem man aus einer Blickrichtung keinerlei Ordnung erkennen kann, aber aus bestimmten anderen eine schöne Regelmäßigkeit in Erscheinung tritt. Man hat die gleiche Information umstrukturiert, indem man den Blickwinkel änderte.
Schildkröte: Ich verstehe. Die Echtheit eines Kōans ist vielleicht sehr tief in ihm verborgen, aber wenn man ihn in einen Faden übersetzt, bringt man es irgendwie fertig, jene an die Oberfläche zu bringen.
Achilles: Das ist's, was mein Meister entdeckt hat.
Schildkröte: Dann würde ich sehr gerne etwas über diese Technik erfahren. Aber sagen Sie mir zuerst: Wie kann man einen Kōan (eine Folge von Wörtern) in einen gefalteten Faden (ein dreidimensionales Objekt) verwandeln? Das sind doch zwei ziemlich verschiedene Dinge.
Achilles: Das ist etwas vom Geheimnisvollsten, das ich im Zen gelernt habe. Es gibt zwei Schritte: „Transkription“ und „Übersetzung“. Die T RANSKRIPTION eines Kōans bedingt eine Niederschrift in einem phonetischen Alphabet, das nur vier geometrische Symbole enthält. Diese phonetische Wiedergabe des Kōan heißt B OTE .
Schildkröte: Wie sehen diese geometrischen Symbole denn aus?
Achilles: Sie bestehen aus Sechsecken und Fünfecken. So sehen sie aus (nimmt eine
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