Gößling, Andreas
Großmächtige Meister packte Julian bei den Schultern. »Mit unser beider Kreatur?«, donnerte er. »Warum bei allen Teufeln sollte ich Ihm erlauben, bei der Erschaffung des Golems mitzutun?«
Julian fuhr zusammen, aber einschüchtern ließ er sich nicht. »Weil Ihr ohne mich keinen Hexenlehm hättet«, antwortete er und schaute dem Großmächtigen Meister gerade in die Augen. Offenbar hatte er sich einen neuen Plan zurechtgelegt, seit er von den Schmieden eingekerkert und angekettet worden war. »Und weil Ihr ohne mich auch nicht den kleinsten Splitter von Eurem Pfortenglas zurückbekommt.«
»Wie denn den Splitter!«, schrie Justus. »Eine Scherbe von brauchbarer Größe muss wahrhaftig noch auf dem Drachenberg liegen. Aber Er hat ja den Rosenspiegler-Eid geschworen und kann so wenig ins Hexenholz hinein wie ich selbst. Darum haben wir doch diesen Burschen hier im Eisen behalten.«
Der Meister deutete auf Julians Mithäftling. »Da ist meinen Lichtträgern der falsche Fisch ins Netz gegangen – und doch auch wieder nicht. Denn in den Bannwald hinaus können ja allenfalls noch gewöhnliche Menschen wie er. Keine Hexen, keine Magier, nicht einmal hundserbärmliche Raben. Aber schau Er sich seinen tumben Gefährten doch an. Einmal haben wir ihn schon zum Drachenmaul ausgesandt, die Scherbe vom Pfortenglas zu holen. Und was ist damals geschehen? Gerade mal zehn Schritte weit ist der schreckhafte Kerl ins Hexenholz eingedrungen, dann kam er schon zurückgerannt – schreiend, die Haare gesträubt und sein Gesicht kreuz und quer zerkratzt wie von Katzenkrallen.«
Während der Meister dies sagte, stöhnte Piet furchtbar durch seinen Knebel. Er rollte mit den Augen und warf seinen Kopf wie im Krampf hin und her. Es war offensichtlich, was er dem Meister und seinem Raben mitteilen wollte: Um nichts in der Welt würde er noch einmal auch nur einen Schritt weit in den Bannwald gehen.
Und doch wirst du, Freund, dachte der Famulus. Ich schwör’s dir bei allen Aposteln.
»Was hilft mir da Sein Batzen Drachendreck, Rabe!« Der Großmächtige Meister stieß einen empörten Schnaufer aus. »Wenn ich Astometh und Ohyrion wiederum ohne Pfortenglas herüberspiegeln muss, dann wird mir auch der Golem, kaum dass er erwacht ist, neuerlich in Rauch und Flammen aufgehen.« Er versetzte dem Famulus einen Tritt. »Will Er Mitschöpfer werden, muss Er schon etwas mehr ausspucken als ein paar Krumen Lehm.«
Julian schickte einen verstohlenen Blick nach links. Der einstige Bäckerlehrling war wieder in sich zusammengesunken und stöhnte nur noch leise durch seinen Knebel. »Nähert Euer Ohr meinen Lippen, Meister«, sag te er gedämpft.
Mit einem widerwilligen Gesichtsausdruck beugte sich Justus tiefer zu seinem Raben hinab. »Was hat Er jetzt wieder ausgeheckt, um Seinen Hals zu retten?«
»Schwört mir, Großmächtiger Meister«, flüsterte Julian, »dass Ihr mich zusammen mit Euch den Golem erschaffen lasst. Dann will ich dafür sorgen, dass Piet noch heute zum Drachenmaul geht, um den Scherbenrest zu holen.«
Der Großmächtige Meister richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf. Lange sah er stumm und finster auf seine beiden Gefangenen hinab. Schließlich beugte er sich neuerlich zum Raben Julian hinunter. »Nun denn, so sei es. Bringt Er den Tölpel dort dazu, seine Pflicht zu tun, so soll Er meinethalben bei der Erschaffung des Golems dabei sein.«
Das Herz des Famulus begann vor Entzücken zu pochen. »Schwört Ihr’s, Meister, bei allem, was Euch heilig ist?«
»Bei meinen männlichen Nachkommen: Ich schwör’s.«
»Dann nehmt Piet und mir die Eisen ab, ich bitt Euch sehr. Und gebt mir eine Stunde, ihn von meinem Plan zu überzeugen.«
Noch einmal schaute Meister Justus grimmig auf die beiden Burschen herunter. Dann stampfte er aus der Zelle und nur ein paar Augenblicke später traten die Schmiede ein und befreiten Julian und Piet von ihren Fesseln.
»Hör mich an, Piet«, begann der Famulus, kaum dass die Lichtträger wieder aus der Tür waren. »Alles wird gut, das verspreche ich dir – wenn du nur genau tust, was ich dir jetzt sage.«
Sein Freund sah verstört im Verlies umher. Er schien zu ahnen, warum ihm so plötzlich die Ketten abgenommen worden waren. Beim letzten Mal hatte er sich kurz darauf im Hexenholz wiedergefunden, inmitten der grässlichsten Gespenster, die man sich nur vorstellen konnte.
»Du musst noch mal hinaus in den Wald«, fuhr Julian fort. Er nahm Piets Hand und drückte sie, aber
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