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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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war es viel zu dunkel gewesen, um Zaun und Baum zu unterscheiden.
    »Ja, stimmt schon«, schluchzte Billa an seinem Ohr. »Deswegen hieß es ja auch gleich, er wäre im Moor ertrunken. Sie haben einen Suchtrupp gebildet, aber gefunden haben sie nichts. Am Moor hätte man doch Fußspuren entdecken müssen, wenn Jakob irgendwie vom Weg abgekommen wäre – aber da war gar nichts. Trotzdem wurde die Suchmannschaft schon nach ein paar Tagen wieder aufgelöst, die Akte geschlossen. ›Vermisster Junge wahrscheinlich im Moor ertrunken‹, hieß es im Cropliner Anzeiger. So was kommt hier ein paarmal in jedem Jahr vor. Ins Hexenholz würde von den Einheimischen keiner freiwillig reingehen – schon gar nicht, um einen vermissten Touristen zu suchen. Also schreiben sie einfach ›im Moor ertrunken‹ – und fertig. Dabei hab ich selbst damals ein Loch im Zaun am Hexenholz gefunden und den Polizisten gezeigt – aber sie wollten nichts davon wissen.«
    »Wo war das denn – dieses Loch?«, fragte Marian und streichelte weiter ihren Rücken.
    »Ganz hier in der Nähe. Keine hundert Meter den Weg nach Croplin rauf. Aber sie haben einfach behauptet, dass es dort keine Fußspuren gäbe – also müsste Jakob im Moor ertrunken sein. Obwohl sie dort ja auch keine Spur von ihm gefunden haben.«
    Sie verstummte und auch Marian sagte nichts. In diesem Zimmer, in dem alles – Wände, Boden, Decke – aus demselben hellen Holz war, kam man sich vor wie in einem Schrank. Wie gern hätte er Billa jetzt noch mal geküsst und enger an sich gezogen, aber er spürte ja, dass sie in Gedanken weit von ihm weg war.
    »Ich weiß«, redete sie irgendwann weiter, »dass er noch hier ist. Aber ich weiß auch, dass es vollkommen verrückt klingt – deshalb hab ich ja noch nie irgendwem davon erzählt. Unsere Mutter ahnt wohl, warum ich unbedingt jeden Sommer hierherfahren will, aber auch mit ihr hab ich nie offen darüber geredet. Du bist der Erste, Marian, dem ich all das sage.«
    Sie drehte sich auf den Rücken und schob sich ein Stück weg von ihm. Es war stickig heiß in diesem Schrankzimmer, trotzdem war er enttäuscht, dass sie wieder auf Distanz zu ihm ging. Aber solange dieses Ge spenst Jakob zwischen ihnen schwebte, konnten sie sich sowieso nicht richtig nahe sein.
    »Er ist im Hexenholz«, sagte sie ganz leise zur Decke hinauf. »Manchmal, wenn ich nachts draußen rumlaufe, höre ich ihn nach mir rufen. Mit einer schrecklichen Angststimme, verzerrt, verzweifelt – aber ich weiß trotzdem ganz genau, dass es Jakob ist. Er lebt noch. Ich fühle es. Er schreit um Hilfe. Aber seine Rufe werden schwächer und schwächer. Wenn wir es nicht schaffen, ihn in zwei Wochen da rauszuholen …« Sie unterbrach sich, und in den Augenwinkeln sah er, dass ihre Lippen unbeherrscht zuckten. »Wir müssen es einfach schaffen«, presste sie hervor.
    »In zwei Wochen?«, wiederholte Marian. »Warum gerade dann?«
    Sie stieß ein ungeduldiges Schnaufen aus. »Du weißt schon, was ich meine – an diesem geheimnisvollen Da tum eben, dem 9.9. Laut Birta ist der Bannwald vor 333 Jah ren verhext worden, um in dieser Golem-Sache irgendwie das Allerschlimmste zu verhindern. Was das eine mit dem anderen zu tun haben soll, konnten sie oder Sina mir auch nicht erklären. Aber wenn dieser Bann am 9. September aufhört, Marian, dann heißt das doch, dass ich genau an diesem Tag ins Hexenholz muss, um Jakob da rauszuholen – was immer dann sonst noch passiert!«
    Sie drehte sich wieder auf die Seite und stützte ihren Kopf in die Hand. »Bitte, du musst mir helfen«, sagte sie. »Versprich mir, dass du am 9.9. mit mir ins Hexenholz gehst.«
    Er schaute ihr in die Augen, sein Herz klopfte wie irrsinnig – vor Begierde, sie noch mal zu küssen, und mehr noch vor Angst. Nicht noch einmal in diesen grauenvollen Wald, dachte er. Fast alles lieber als das. »Hast du es noch nie probiert?«, fragte er. »Ich meine – ihn da drin gesucht?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf. Ihre Augen beschworen ihn: Versprich es mir!
    Aber ich war heute im Hexenholz, dachte er. Und ich hab dich dort gesehen. Doch das sagte er nicht. Schließlich hatte er zu schweigen gelobt. Aber viel mehr als vor der Rache der Logenbrüder fürchtete er sich vor etwas ganz anderem: herauszufinden, dass Billa möglicherweise log.
    »Ich hab’s mir mal auf der Karte angesehen«, sagte er, »das ist ja nicht gerade ein kleiner Wald. Wie sollen wir Jakob da denn finden?« Wenn sie auch darauf eine Antwort

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