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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Innere Wandel, über Gleiten und Strömen aber schwebe einig und ewig ich: die unzerstörbare Seele!« Daß er es im gleichen Augenblick merkte, verklang das Jauchzen des Lichts, überfiel, wie Bandit aus dem Busche, der Dämmer die Straße. Aber es wuchs nur die Kraft, das Bewußtsein auszudehnen auf die ganze Welt, innen, im innersten Kern aber frei zu bleiben über der ganzen. Wie das Grübelgesicht einer Büßerin vor Aphrodite verblich vor dem Schein dieser Kraft das Bildnis von Rom. Das Feuer des Vesuvs wie Herdfunke vor dem Vollmond. Was war Zucht, Kunst und Sammlung gegen einen Mittag, verträumt ohne Erinnerung an Gestern und ohne Vorziel des Morgen auf der Welle des Golfs vor den bräutlichen Armen dieser Stadt? Was alle Wunder der Natur gegen die lallende Urlust der Sekunde, die den alleinherrschenden Leib hineinwarf in den Schoß eines Weibes der Jugend, unter dem Flüstern der Nacht? Trotzig stampfte der Fuß in den Boden. »Wer will mich abhalten, auch einmal nur zu genießen?« Wenn er nur wollte, einen Finger nur ausstreckte, fielen sie ihm nicht urgewiß zu, alle Wonnen der Erde? Und an welchen noch könnte er verderben? Verdarb etwa sein Auge an der wahllosen Vielzahl der Bilder? Trotzig sah er rundum. Zu Boden. Ein Bettler, siebenzigjährig, den rostroten Thersitesleib in stinkende Lumpen gehüllt, umwand mit dem Lied aus unwahren Fisteltönen seine Kniee, hob das Auge unter schlohweißen Buschenbrauen listig empor. Mit demselben Blick sah er: ein Weib, kaum den Kinderschuhen entwachsen, das den bloßen Busen an seine Hüfte preßte und, glitzrig emporbuhlend, die Röcke bis übers Knie raffte, um die lüsterne Nacktheit ihrer Beine zu zeigen. » Via! « schrie, kaum daß sein Auge gereizt gefolgt war, das wulstige Maul eines Polizisten. Der Bettler, unter dem Streich, den der papageibunte Mann tat, kroch in die Straße hinaus; in die ellehohe Schichte von Staub, Pferdemist, Tomaten, Bohnenhülsen, Orangenschalen, Feigenbälgen, Salatstangen, Artischockenblättern, Papier. Das Weib hingegen, während der Papageifederbusch wackelnd dem Kriechenden folgte, blieb. Ein eseltreibender Mönch und zugleich ein Ziegenhirte, die Schar der zottigen Böcke mit »Mee« und Pfunden von Stallkruste hinter sich, drängten es zu ihrer Freude dicht an den unbewegt Schauenden heran. Die zinnoberroten prallvollen Euter der grauen Ziegen sah er; das mehlbestaubte kurzgeschorene Haar des zimmetbraunen Kapuziners, der auf schwarzen Zehen stapfte; die giftgrüne und milchweiße Flut der Blumenkohlköpfe auf dem Eselsrücken; die geil im Wanddämmer entblößten Schenkel des Weibes, – alles in einem. Zurück wich er, unwillkürlich. Da griff das Weib seine Hand; wie Schlangenschuppenkühle fuhr ihm der Kitzel durch die Haut. Erschrocken rang er die Hand frei; wo, wann endet die Freiheit der unzerstörbaren Seele vor den Stricken der Welt? Und noch einen Schritt tat er zurück. Aber als ob es den Stachel, der schon festsaß in seinem Blut drin, triumphierend belächelte, ringelte sich das Weib hinters Tor, – ein Riß in die Fetzen, und aus dem Finster des Flurs hob sich, über dem brünstigen Schimmer des Fleisches, das knappe Dreieck der Scham.
    Nicht anders als Joseph vor Potiphar floh er. Aber nur zögernd. Nur um ein Haus weiter. »Trotzdem! Ich will leben! Muß leben!« zuckte es mit verwegenem Blitz durch das Hirn. Wozu immer nur: Abwägen, Messen, Grübeln, mit Mühsal ohnegleichen Ziel suchen, Ziel erkennen, Ziel wollen? »Wenn ein Tag sinnlos den andern zerschlägt? Und mir gelüstet nach Leben?« Da traf den verwirrten Blick ein ächzender Karren, auf dem, um die Knie einer hockenden Greisin, ein Berg von Blumen schaukelte. Aus Wiesen lanzenscharfer Halme, kleiner zarter, wollüstig hoch aufgeschossener, brach der schäumende Gischt von weißen und gelben Margueriten; Wald von blutroten Kamelien, Taumel höhehungriger Aaronsstengel, deren wilde Feuerstäbe aus der Kühle wolkeweißer Kelche stiegen. » Fiori! « kreischte die zersprungene Stimme der Greisin wie scheppernder Ton von Wand zu Wand. Ein grauer Schal, aus Löchern, Schmutz und Blutflecken gewebt, fiel in zwei flatternden Dreiecken über die völlig fleischlosen Schultern. Wie Gerippe stachen die nackten Arme aus seinem hauchenden Unrat. Auf dem Schoß lagen zwei nackte, an den ganzen Leibern mit Krätze bekrustete Kinder, die in unausgesetzten Stößen Weh brüllten, während ihnen das Weib – » Fiori! « rief es unentwegt weiter – mit einer

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