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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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aus dem Sarg.
    »Dein Kind.«
    »Dein Sohn.«
    »Nach vielen Jahren.«
    Warum – ergriffen nun die Totengräber gern den Sarg? Umtraten die Männer rasch entschieden die Grube? Ließen die Hemdärmeligen die schwarze Truhe in die Tiefe sausen? Und donnerte schon Erde auf den Sarg? Schwang Hand um Hand sich eilig, um eilig Scholl auf Scholle ihm hinabzuwerfen? Und löste sich aufeinmal der Geliebten süßer Arm von seinem Hals und trat auch sie heran an den verhaßten Rand und goß den Staub hinab so lang, so schrecklich herzlos lang, bis sich der kunstgerechte Hügel wölbte?
    Weiß, als sie endlich, mit ihrem Siegeslächeln, vom Werk zurücktrat, starrte er sie an. Die ganze Welt des Leidens und des Wissens stand mit entsetzten Zeichen weh auf seiner Stirn. »Warum . . . . tust du . . . mir . . . dies? «
    Sie weinte schon. Das Lächeln ihrer armen Herrschaft, kaum daß sie diesen Blick erfühlt, war schon gewandelt in den Sieg des Schmerzes. »Du bist schon ewig!« hauchte sie; die Kniee wankten ihr, der letzte Strahl verlaßner Liebe küßte ihn noch. »Du brauchst kein Kind. Ich nahm es mir. Ich kann nicht so allein sein! Denn du – jetzt weiß ich's – gehst! Du gehst von allem!«
    Langsam, mit einer Hand, die marmorn war, verhüllte er sich das Haupt. »Lebwohl!« Und keinen einzigen Blick, indem er aufrecht in das Dunkel trat, tat er zurück. Kein Wort mehr an das Grab, an die Geliebte, die stumm im Sieg des Leids in ihre Erde niedersank. Nichts mehr!
    »Jetzt – ist's getan!«
    Steif und gemessen schritt er durch die Nacht. Durchs tote Rom.
    »He! Ihr spaziert schon eine Stunde lang da auf und nieder! Was gilt's?« trat ihm im Finster der Ripetta eine Sbirre in den Leib.
    Da schüttelte er sich und nahm den richtigen Weg. Ging schnell. Im Corso angekommen, dort, wo die Via Convertite mündet, schüttelte er sich ein zweitesmal. »Ach so!« Und noch getriebener ging er jetzt. Die spanische Treppe sprang er wie eine fremde, ohne je einzuhalten, aufwärts. Den Weg hinüber zu Angelica rannte er. Im eiligen Gange durch den Garten fühlte er: das Herz saust so entsetzlich bang. Es fürchtet sich. Ein Zweig der Zeder schlug ihm ins Gesicht. Da ward das Herz noch banger. Das Tor war offen. »Sie erwarten mich!« Im Flur – es fröstelte ihn, als er das sah – stand auf dem Wandtisch ein Kandelaber mit fünf brennenden Kerzen. Getroffen schickte er das Aug hinweg. Krampfhaft hielten beide Arme den Mantel auf der Brust zusammen. Nur rasch die Stiege aufwärts! Aber – auch die Tür zur Wohnung war geöffnet. Lichtschein wie Sehnsucht flog ihm draus entgegen. Wer spielte am Harmonium? Süß überschwebte eine Stimme alle anderen Stimmen. »Sand wird das Leben wieder sein, wenn Ihre Quelle uns versiegt!« Wann hatte sie das Wort gesagt? Er stand im Vorsaal. Zitternd. »In einer Minute werden sie mir entgegenstürzen! Mit Augen, worin der Abschied, nichts als Abschied . . . .«
    Schwindel faßte ihn. Die Hand fuhr aus dem Mantel. »Geliebte!« stöhnte er; griff nach dem nächsten Sessel.
    »O, Exzellenz?«
    Hoch schoß er auf. Und ließ den Sessel fallen. Glotzte sinnlos ins beglückte Gesicht des alten Dieners, der wie ein Vater angelaufen kam. »Bartolomeo,« stammelte er, »sage drinnen, daß ich . . . . . .«
    Und machte blitzschnell kehrt. Und rannte. Wie ein Verbrecher, der verfolgt wird, aus dem Saal. Durchs Haus hinab, durch Flur und Tor und Garten in den Weg hinein. Die spanische Treppe wie ein Sturzbach nieder. Empor bis zur Piazzo del popolo im Sturmschritt. Erst vor der Pforte angekommen, hielt er ein. »Sie müssen's mir verzeihen! Es überstieg die Kraft!«
    Und ging nun langsam, mit herrisch dem erwürgten Herzen abgerungenen Schritten durch die Pforte; zurück nach Norden.
    Als er, weit überm Ponte Molle, umdrehte, graute schon der Tag. » Jetzt ist's getan! Tret ich nun noch einmal ein, – ist's nur noch dieser Leib!« Was? Hinter diesen Toren stand noch immer Rom? »Eis!« kommandierte er heiser. »Nein, Eisen!« Und wahrhaftig: Eisen, Eis, in kaltem Fluß stieg in den Leib herein. Den Geist erfaßte es nicht. Das Herz jedoch . . .
    »Ja! Stirb!!«
    Hoch, ohne jede Träne, schritt er durch das Tor. Ohne mit der Wimper zu zucken, unterm Bogen durch. Sah schon, mit stahlgewordenem Blick, den Schein des Platzes endgültig verwandelt winken, als er, wie angerufen, stutzte. Was – regt sich dort im Dämmer? Löst sich aus der Nacht der Nische? Blickt mich, leis

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