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Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut

Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut

Titel: Goetheglut: Der zweite Fall für Hendrik Wilmut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
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schließlich war sie Krankenschwester gewesen.
Sie hatte ihm viel über gesunde Ernährung beigebracht. Wenn sie sehen könnte, dass
er kalte Ravioli aus der Dose aß, würde sie aus dem Grab steigen und ihn zur Rede
stellen.
    Sie hatte im Sophienhaus gearbeitet,
zuletzt in der Diabetikerambulanz, und hatte viel Wert auf Bewegung, frische Luft
und Vorsorgeuntersuchungen gelegt. Doch all das konnte nicht verhindern, dass sie
an Bauchspeicheldrüsenkrebs starb. Mit 51 Jahren. Er war damals gerade einmal 18
Jahre alt gewesen. Vergeblich hatte er die Ärzte angefleht, seine Mutter nach Berlin
in die Charité bringen zu lassen, das war das medizinische Kompetenzzentrum der
DDR. Aber nein, es sei sowieso schon zu spät. Die Mutter war nicht in der SED gewesen,
sonst hätte sie bessere Chancen gehabt, da war er sich sicher. Später erfuhr er,
dass es nicht nur die Charité gab, sondern auch eine spezielle Klinik für Parteikader
in Berlin-Buch. Seltsamerweise gingen all diese Fakten irgendwie verloren. Sie schwammen
eine Weile an der Oberfläche des Deutschland-Teichs, tauchten dann langsam ab, bis
sie schließlich im Schlamm der Vergangenheit versanken, den niemand aufwühlen wollte.
Das hätte ja möglicherweise den gesamten Teich eintrüben können.
     
    *
     
    Hanna hatte gut geschlafen in ihrer zweiten Nacht bei Valentines und
erschien recht gut gelaunt zum Sonntagsfrühstück. Cindy hatte amerikanisches Rührei
zubereitet, mit Bacon und Ahornsirup. Etwa eine halbe Stunde lang schafften sie
es, nicht über Hendriks schockierendes Verhalten vom Vorabend zu sprechen. Doch
plötzlich sprudelte es aus Cindy heraus, sie musste noch einmal alles erzählen,
wie schlimm das für sie war, weil sie Hendrik ja kannte, und wie verändert er ihr
vorgekommen war und dass sie zwar ziemlich sauer auf ihn sei, sich aber gleichzeitig
Sorgen um ihn mache. Schließlich kenne sie Rico Grüner nur über seine Schwester
und sei unsicher, ob er Hendrik nicht doch anzeigen würde. Hanna wollte eigentlich
von all dem nichts mehr hören, musste jedoch zugeben, dass sie sich auch um Hendrik
sorgte. Auch wenn ihre Gefühle anderer Art waren als vor dem Streit mit ihm. Sie
machte sich Sorgen, aber sie hatte keine Angst um ihn. Nach längerer Diskussion
entschieden sie, Rico in Cindys Wohnung einzuladen. Cindy sollte dann mit ihm reden,
seine Glaubwürdigkeit prüfen und ihn nochmals bitten, keine Anzeige zu erstatten.
Natürlich durfte er nichts von Hannas Anwesenheit erfahren, sie sollte aus dem Schlafzimmer
die Unterhaltung mithören und sich selbst ein Bild von der Zuverlässigkeit des jungen
Mannes machen.
     
    Rico Grüner erschien zum Abendessen. Cindy briet ihm einen Riesen-Hamburger,
den er verschlang, als hätte er seit zwei Wochen nichts mehr gegessen. Anschließend
unterhielten sie sich über den vergangenen Abend, insbesondere über Hendriks Verhalten
vor der Brasserie. Mehrmals beteuerte Rico, dass er Hendrik zuvor noch nie gesehen
hätte, was ebenso für seine beiden Fußballkameraden gelte, und dass sie deswegen
›voll geschockt‹ von seinen Anschuldigungen gewesen waren. Hinter der Schlafzimmertür
hörte Hanna alles mit und nickte vor sich hin, als Cindy versicherte, für Ricos
Empörung Verständnis zu haben. Zufrieden verfolgte sie das weitere Gespräch, in
dem Cindy mit ein paar Ausreden, die sie sich vorher zurechtgelegt hatten, erklärte,
dass hier eine Verwechslung vorliegen müsse wegen der grünen Hemden, dass Hendrik
zurzeit sehr unter Stress stünde und Rico die Sache auf sich beruhen lassen solle.
Am Ende entschuldigte sie sich sogar für Hendrik.
    Hanna konnte den Besucher nicht
sehen, lediglich hören, seine Stimme war angenehm und sie bemerkte mit Respekt,
dass er nicht versuchte, bei ihrer Freundin im Gegenzug irgendwelche Vorteile für
seine Schwester herauszuholen.
    Cindy brachte Rico Grüner zur Tür
und Hanna hörte, wie sie im Flur noch einige Sätze wechselten, ohne dass sie verstand,
was gesprochen wurde.
    Die beiden Freundinnen waren sehr
zufrieden mit dem Gespräch.
     
    Gegen 22 Uhr klingelte Karolas Handy. Es dauerte eine Weile, bis Hanna
begriff, dass der fremde Klingelton ihr galt.
    »Ist schon komisch, wenn man seine
eigene Nummer anruft«, meinte Karola.
    Hanna lächelte. »Wie geht’s Mutter?«
    »Nicht gut«, antwortete Karola,
»sie hat den ganzen Tag über gehustet und ist sehr schwach.«
    »War Dr. Gründlich noch mal da?«
    »Ja, heute Mittag, er hat ihr ein
zusätzliches Medikament gegeben,

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