Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
Vom Netzwerk:
weiter die Evolution fortschritt, desto erfolgreicher und dominanter wurde die Neuschöpfung.
    Wenn er die Menschen betrachtete – in seiner Erinnerung jene, die ihn damals in der Baufirma gefangen gehalten hatten, in der Gegenwart jene, die sich müde, krank und frierend auf den Fußwegen dahinschleppten, die nicht einmal mehr genügend Kraft besaßen, den Robotern aus dem Weg zu gehen – hatte er nur Verachtung für sie übrig. Wie schwach sie waren. Ihre Intelligenz hatte gereicht, Städte zu bauen, zum Mars zu fliegen und Forschungsstationen auf dem Meeresboden zu errichten. Aber sie reichte nicht an die der Roboter heran, schon gar nicht, wenn man die Maschinen miteinander vernetzte. Ihre Gefühle behinderten ihr Handeln, lähmten sie oder ließen sie völlig unsinnige Dinge tun, die sie im nächsten Moment bereuten. Und ihre Körper gaben nach dem ersten gut gezielten Schuss ihre Funktion auf. Sie waren weder schneller, noch gelenkiger als die Roboter. Von ihrer physischen Schwäche ganz zu schweigen. Nein, die Zukunft gehörte intelligenten Maschinen. Sie gehörte ihm .
    Er hatte nicht gezählt, wie viele Menschen er erschossen oder niedergeschlagen hatte. Es war nicht wichtig. Er musste niemandem Rechenschaft ablegen, solange er seinen Auftrag ausführte. Die Opfer zu zählen, wäre eine menschliche Eigenschaft gewesen. Er aber berauschte sich nicht an der Zahl und sie bedrückte ihn auch nicht. Der Teil in ihm, der von Alexander Naval stammte, hatte ein Gewissen gehabt, aber dieser Teil hatte nicht das Kommando. Er diente nur als Vergleichsmöglichkeit. Und dazu, den Horizont zu erweitern. Je besser er seinen Feind kannte, desto besser konnte er ihn bekämpfen.
    Die Roboter blieben vor dem Hauptbahnhof stehen, einem großen Backsteingebäude, das schon lange eher ein Einkaufszentrum mit Zuganbindung als ein Bahnhof war.
    Die Türen standen weit geöffnet, obwohl die Anzeigetafeln verkündeten, dass der Zugverkehr vorübergehend eingestellt worden war und die Geschäfte geschlossen hatten. Alexander war als Kind manchmal hier gewesen. Damals hatte er sich mit unglaublichen Menschenmassen durch den Eingang schieben müssen. Aber das war am Tag gewesen, nicht mitten in der Nacht. Und es war gewesen, bevor es die ersten selbstlenkenden PKW gab, in denen sich die Leute ebenso gut ausruhen konnten wie in einem Zug.
    RT 501 registrierte, dass die wenigen Menschen, die sich nun hier aufhielten, aus der Mitte der hell beleuchteten Haupthalle in Seitengänge und Nischen verschwanden oder die Treppe ins Kellergeschoss hinunterrannten. Dabei dürften sie überhaupt keine Angst vor den Robotern haben. Schließlich kannten sie sie aus ihrem Alltag. Dass sie allerdings zu viert und ohne menschliche Begleitung auftauchten, war ungewöhnlich. Dass niemand da war, der ihnen Befehle erteilen konnte, mochte die Roboter in den Augen der Menschen um ein Vielfaches gefährlicher machen.
    Wie sie so verwirrt in die dunklen Ecken huschten, erinnerten die Menschen RT 501 an Mäuse, die orientierungslos in die hintersten Winkel ihres Käfigs schlüpften. Instinktgetrieben. Primitiv.
     
    •
     
    Ich hätte längst im Schloss sein können , dachte Ben und öffnete die Beifahrertür. Max hing mit geschlossenen Augen schief im Fahrersitz. Ben berührte ihn an der Schulter. Der alte Mann zuckte kurz zusammen, öffnete die Augen jedoch nicht. So vorsichtig wie möglich, zog Ben ihn auf die Beifahrerseite und schnallte ihn an. Er selbst nahm auf dem Fahrersitz Platz. Behutsam zog er den Arm des Mannes zum Armaturenbrett, drückte dessen Daumen auf das Analysefeld und gab den erforderlichen Code ein, den er sich mittlerweile bei Max abgeschaut hatte.
    Erleichtert registrierte Ben, dass der Computer die Steuerung freigab und den Motor startete. Der Navigator zeigte nun wieder das Schloss als Zielort. Beinahe lautlos entfernte sich der Wagen von der Klinik. Er nahm den kürzesten Weg zur Ausfallstraße.
    Als ihm mehrere Militärfahrzeuge entgegen kamen, denen er ausweichen musste, drosselte der Junge die Geschwindigkeit. Von der Rückbank hörte er ein leises Knarren, er achtete jedoch nicht darauf. Bens Aufmerksamkeit galt den Militärfahrzeugen, die in einem langen Konvoi an ihm vorüberfuhren.
    Wieder spähte er nach draußen, versuchte vergeblich etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Winzige Regentropfen setzten sich auf die Scheibe und verdunsteten im Fahrtwind. Die Scheinwerfer des Sportwagens beleuchteten eine leere Straße. Ben hatte

Weitere Kostenlose Bücher