Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)
zuzuhalten, flüsterte sie mit bebenden Lippen: »Cara.«
»Zwei Kerle wollten sich an ihr vergehen, nachdem sie schon ihre halbe Familie umgebracht hatten«, sagte Rowen. »Das darf nicht so weitergehen!«
Oddo zuckte mit den Schultern, die dunklen Augen auf die junge Frau gerichtet. »Für uns Sklaven sind diese Dinge Alltag gewesen, als Leute wie sie noch das Sagen hatten.« Die nächsten Worte spie er hervor: »Sie haben es doch nicht anders verdient!«
Seine Worte ließen Cara zusammenzucken wie Peitschenschläge und sie brach in Tränen aus.
Ohne ihn anzusehen sagte Jolla: »Geh wieder zu deinen Freunden, Oddo.«
Etwas zwischen den beiden Männern schien in diesem Moment zu zerreißen, wie ein Band, das zu fest gespannt worden war. Aus verengten Augen musterte Oddo sein Gegenüber und kratzte sich an dem Brandzeichen auf seiner Wange. Dann kehrte er ihnen wortlos den Rücken und lief zum Schafott zurück, wo schon die nächsten Sklavenaufseher an ihren Peitschen aufgeknüpft wurden.
Cara beruhigte sich etwas, war aber noch blass und ihre Augen vom Weinen gerötet.
Rosanna! , durchfuhr es Rowen und sein Herzschlag beschleunigte sich wie das Poltern der Trommel auf einer angreifenden Kriegsgaleere. Wenn alle so dachten wie Oddo, schwebte sie in ebenso großer Gefahr wie Cara. Er musste sofort zu ihr.
»Jolla«, sagte er, »diesmal muss ich dir ein Geheimnis verraten, das besser nie deinen Mund verlässt.«
Rosanna
»… und du kennst die Kleine woher?«
So schnell, wie es ihm möglich war, schleppte Jolla Rowen durch die Gassen des Cordiaviertels; denselben Weg, den er schon mit der Truppe des sadistischen Centurionen genommen hatte. Da war er aber noch auf eigenen Beinen gelaufen.
»Von einer Diebestour«, wiederholte Rowen.
»Die reiche Schönheit und die diebische Maus. So eine Geschichte könnte auch aus einem der Gedichte stammen, die solche Damen aus dem Geldadel gerne lesen.«
Cara hatten sie angewiesen, sich in einem Kanalschacht zu verstecken und darauf zu warten, dass die Lage sich beruhigte. Mehr konnten sie im Moment nicht für sie tun. Noch immer lag Rauch wie ein tiefhängendes Wolkengebirge über der Stadt. Vereinzelt stanzten brennende Häuser Löcher aus Licht in die Finsternis, Scheiterhaufen von Besitz und Wohlstand.
An einer Straßenecke lieferte sich ein letztes Aufgebot von Stadtwachen ein Gefecht mit einer Horde Sklaven, ihren Muskeln nach zu urteilen einstige Sänftenträger. Obwohl sie nur mit herausgerissenen Pflastersteinen und brennenden Holzlatten kämpften, überwältigen sie die Wachen in kürzester Zeit. Zwar fielen zwei von ihnen den Speeren ihrer Feinde zum Opfer, aber ihre schiere Menge reichte aus, um den Trupp niederzumachen.
Überall bot sich dasselbe Bild wie auf dem Richtplatz, gerade hier in einem der Reichenviertel. Grölende Banden warfen Plündergut aus den zerschmetterten Fenstern der Stadtvillen und zerrten Frauen, junge und alte, aus ihren Toren. Jedes Mal, wenn Rowen so etwas zu Gesicht bekam, ballte sich eine bleierne Faust um sein Herz und am liebsten hätte er losgeschrien und sich auf sie gestürzt. Aber Jolla schleppte ihn stur weiter, die Augen geradeaus gerichtet. Noch vor wenigen Tagen hätte er geglaubt, dass sein Beschützer schlichtweg ein kaltes Herz hatte. Jetzt wusste er, dass er das Leid um sie herum genauso wenig ertragen konnte. Er wagte es noch nicht einmal hinzusehen.
Er hatte Recht, sie würden sie nicht alle retten können. Mit größter Anstrengung versuchte er das Bild aus seinem Kopf zu sperren, wie mit Rosanna gerade dasselbe geschah wie mit den Frauen am Straßenrand.
»So sollte es nicht sein«, murmelte Jolla gepresst. »So sollte es doch nicht sein.«
Sie bogen in die Teveringasse ein, in der das Haus von Rosannas Vater lag.
Es brannte, als einziges in der ganzen Straße. Hoch züngelten die Flammen, griffen wie Raubtiere mit lodernden Krallen nach den Nachbarhäusern. Der Dachstuhl war bereits in sich zusammengestürzt, lediglich die Grundmauern ragten noch wie Grabmäler in den Aschehimmel.
»Nein! Nein! Bitte nicht!«
Rowen riss sich von Jolla los, trat mit dem verletzten Fuß auf. Schmerz schoss wie ein Pfeil durch sein Bein. Er stürzte der Länge nach zu Boden, schlug mit dem Gesicht auf. Blut spritzte aus seiner Nase, aber es kümmerte ihn nicht.
Halb kriechend, halb robbend, schleppte er sich zum Haus. Warum sie? Warum ausgerechnet ihr Heim?
»Komm schon, das schaffst du nicht!« Jolla zog ihn wie schon so
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