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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Julius war mir wie ein Bruder, Linda eine liebe Freundin. Doch gerade heute, an dem Tag, an dem unser lang gehegter Traum in Erfüllung gehen sollte, verspürte ich Wehmut über den Verlust einer anderen Freundin.
     
    Nach Alexanders Freilassung hatte ich Melisande in Bonn besucht. Ich wollte sie bitten, mit Max zusammen an der Einweihungsfeier unserer Fabrik teilzunehmen. Aber sie hatte den Kopf geschüttelt.
    »Nein, Amara. Nein. Wir stehen nicht mehr auf derselben Ebene, und es würde nur böses Blut geben.«
    »Ich verstehe das nicht. Du hast früher solche Unterschiede nie gemacht.«
    »Sie waren früher auch nicht da, Amara. Als du zu uns kamst, warst du ein mageres Arbeiterkind, dann ein Serviermädchen, so wie ich auch, aber schon als du mit Bevering verheiratet warst, gab es Schwierigkeiten, weißt du noch?«
    »Ja, aber die Damen Bevering waren nun mal ein zänkisches Pärchen.«
    »Und ließen mich sehr deutlich spüren, dass ich zu einer sehr viel niedrigeren Schicht gehörte als sie selbst.«
    Damit hatte sie natürlich recht. Unsere Freundschaft wurde erst wieder tiefer, als wir gemeinsam unseren Laden in Bonn führten. Unsere Küchengesellschaften, die Studenten und Künstler, das war Mellis Welt. Nicht die Fabrikanten und Geschäftsleute, Bankiers und Kommerzialräte mit ihren Gattinnen, die inzwischen zu unseren Bekannten gehörten.
    »Es tut mir so leid, Melli. Und es tut mir auch leid, dass Max so unversöhnlich ist.«
    »Es ist die Wut auf seine Eltern, Amara. Ich finde es allmählich heraus. Er ist ein brillanter Kopf, und er hätte das Gut seines Vaters sicher wieder rentabel gemacht. Aber der hat ihn enterbt, sich von ihm losgesagt, und wie es scheint, ruiniert er sich jetzt zur Gänze.«
    Das hatte mir mein Vater auch schon gesagt und mit einem kalten, verächtlichen Schnauben hinzugefügt: »Und ich habe ihm den Geldhahn inzwischen auch zugedreht.«
    »Und was die Arbeiter anbelangt, Amara, da stehe ich vollkommen auf seiner Seite. Ja, ja, ich weiß«, nahm sie meinen Einwand voraus, »ihr werdet ihnen vernünftige Bedingungen schaffen. Aber das wird nicht für alle reichen.«
    »Nein, das wird es nicht, und darum wird Max auch Erfolg haben, wenn er sie zu gemeinsamen Protesten aufrüttelt. Nur wird er sich und andere damit in große Schwierigkeiten bringen. Kantholz mag zwar seinen Posten verloren haben, aber andere seiner Art kommen nach. Der preußische Staat hat eine Höllenangst davor, irgendwo die Kontrolle zu verlieren.«
    »Der preußische Staat ist ein Misthaufen, auf dem die Korinthenkacker und Klugscheißer sitzen«, brachte sie vehement vor, und ich hörte Max’ Diktion aus den Worten.
    »Ich verstehe dich ja, Melli. Du stehst immer auf der Seite der lahmen Hunde, und das ehrt dich und dein gutes Herz. Aber Max scheint seiner Schwester ähnlicher zu sein, als ich dachte. Er besitzt deine Großherzigkeit nicht, sein Antrieb ist Neid und Rache.«
    »Genau deshalb bin ich bei ihm, Amara. Damit es ihn nicht zerfrisst, wie der Zucker und die Eifersucht Dotty zerfressen haben. Ich kann ihn besänftigen, manchmal, und die Bitterkeit in ihm lindern.«
    »Wenn jemand dazu in der Lage ist, dann du, Melli. Aber bitte, bitte versprich mir eines: Wenn ihr wirklich in eine große Klemme geratet, scheu dich nicht, dich an uns zu wenden.«
    Sie stand auf und umarmte mich.
    »Wir werden sehen, Amara. Ich habe dich immer sehr lieb gehabt, und ich will dich nicht in Dinge hineinziehen, die dir oder den Deinen schaden könnten. Aber bevor es auf Leben und Tod geht, werde ich um Hilfe rufen. Versprochen.«
    Ich musste ihre Entscheidung akzeptieren, so schwer sie mir fiel.
     
    So stand ich dann am Nachmittag dieses strahlend schönen Septembertags in meinem neuen Seidenkleid in der Halle der Fabrik, und nicht nur die reine Freude, sondern auch Wehmut erfüllte mein Gemüt.
    Doch schön war unser Werk geworden. Durch die Dachfenster flutete Licht über die Maschinen und ließ die weiß gekalkten Wände leuchten, in dem Luftzug, der durch die Tore wehte, flatterten Girlanden, Wimpel und Bänder. Unzählige Gäste hatten unsere Einladung angenommen, und neben den Massows stand Juppes Nettekoven, dessen Miene ich ansah, wie unwohl er sich in dem neuen Frack fühlte, den Gisa ihm aufgezwungen hatte. Sein Weib aber sah ihn mit demütigem Stolz an und hielt den vergnügt grinsenden Hannes fest an der Hand. Laura von Viersen, am Arm ihres Gatten, winkte mir lächelnd zu, Waldeggs palaverten eifrig mit

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