Goettin - Das Erwachen
etwas hinter ihr hängen und das Lächeln wich sofort einem ängstlichen Ausdruck. Ah, also war Liam auch schon da. „Hey Kätzchen.", hörte sie hinter sich und fühlte seine Hand auf ihrer Schulter. Jamie wirkte nervös und sah sich immer wieder nach allen Seiten um. Da Lee es so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte, nickte sie ihm leicht zu und streckte ihm Schlüssel und Handtasche entgegen. Schnell verstaute Jamie ihre Sachen und holte eine große Tüte aus seinem Auto. „Hier sind neue Sachen zum Anziehen und deine neuen Papiere. Zieh dich um, ich brauche deine Kleidung." Er sah sie kurz mitleidig an. „Ich brauche alles. Auch die Wäsche.", sagte Jamie schließlich, als er ihr die Tüte und den Autoschlüssel übergab. Wie? Sofort? Es konnte nicht mehr als zehn Grad haben, außerdem würde sie sich sicher nicht vor Jamie ausziehen. Unwillkürlich lief ihr ein Schauer über den Rücken und ließ sie frösteln. „Nicht weit im Wald ist eine kleine Hütte. Wenn du magst, kannst du dich dort schnell umziehen.", bot Liam leise an. Dankbar drehte sie sich zu ihm um und nickte. Liam sah sie an, wie er sie schon die ganze Woche angesehen hatte, mit einer Mischung aus gespielter Freundlichkeit und Schmerz.
Schweigend folgte sie Liam durch den Wald. Mit jedem Schritt stieg ihr Unbehagen. Warum fühlte es sich so falsch an das Richtige zu tun? Hast du Angst das Falsche zu tun oder einfach nur Angst vor der Veränderung? Liam stellte eine gute Frage. Es ist das Richtige. Darin war sie sich so sicher, wie bisher noch nie. Gut. Dann ziehen wir's durch. Sagte er und deutete auf eine windschiefe Bretterbude vor ihnen. Es war genau das, was sie erwartet hatte. Ein zusammen genagelter, überdachter Unterstand für Jäger. Nicht das Ritz, aber sie wollte hier ja auch nicht einziehen. Entschlossen stapfte sie darauf zu. Noch bevor sie die Tür erreicht hatte, hatte Liam sie überholt. Sein breiter Rücken versperrte ihr die Sicht. So hörte sie nur das Geklimper von Schlüssel und sah Sekunden später, wie die Tür aufschwang. Du hast einen Schlüssel? Wunderte Sie sich und sah fasziniert zu, wie Liam seinen schrankartigen Körper durch die viel zu kleine Tür schob. Du hast es immer noch nicht gecheckt. Mein Wald, meine Lichtung und meine Hütte. Ein Lächeln schwang in der Stimme in ihrem Kopf mit. Damit wäre auch geklärt, warum sie den ganzen Sommer über keine Menschenseele in dem Wald gesehen hatte. Weder Forstarbeiter noch Jäger. Ich sollte wirklich anfangen aufmerksamer zu werden. Gab sie zu, als sie den muffigen Raum betrat. Die Tür schwang hier ihr wieder zu und nur eine alte Öllampe, die Liam eilig entzündete, sorgte dafür, dass sie nicht im Dunkeln stand. Die Lampe stand neben einer Flasche Cola, einer Tüte Chips und einer zusammengefalteten Wolldecke auf einem schiefen Ablagebrett. Also hatte er schon alles bereitgelegt. Daneben hatte Liam seinen Schlüsselbund achtlos hingeworfen. Als ihr Blick auf den Anhänger fiel, zerriss der Schmerz in ihrem Inneren sie fast. Sie hatte den Anhänger bereits vor Wochen entdeckt und hatte sofort gewusst wann und wo diese Aufnahme von ihr entstanden war. Im Stillen hatte diese erotische und kunstvolle Fotografie ihr wirklich gut gefallen und ihr unglaublich geschmeichelt. Nun stand dieses blöde Foto für alles, was sie hier verlassen würde und vor allen Dingen, für das Leid, das sie mit ihrer Flucht auslösen würde. Sie atmete durch und bezwang den Schmerz. Heute musste sie stark sein. Auf der gegenüberliegenden Seite waren Bretter zu einer breiteren Bank an der Wand befestigt worden und mit einer weiteren Decke abgedeckt worden. Es war nicht als wohnlich zu beschreiben, aber erfüllte seinen Zweck. Sie stellte die Tüte neben die Lampe und begutachtete ihre neue Kleidung im spärlichen Schein.
Als Erstes zog sie eine schwarze Lederjacke im Bikerstil heraus. Sie verliebte sich augenblicklich in das Teil. Bisher hatte sie sich eine echte Lederjacke von ihren Aushilfsjobs nicht leisten können und ihren Vater fragte man besser nicht nach mehreren Hundert Euro für eine Jacke. Die engen, weiße Jeans, der lange, blutrote Strickpullover, mit aufwendigem, schrägen Ausschnitt und die hochhackigen Stiefel waren zwar nicht ihr Stil, waren aber perfekt aufeinander abgestimmt. Zusammen mit dem Schmuck und dem Gürtel, die sie ebenfalls fand, dürfte dieses Outfit in der Preisklasse eines Kleinwagens rangieren. Sie legte ihre neue Clutch, ein Paar Socken und
Weitere Kostenlose Bücher