Goettin - Das Erwachen
lächeln. Sie sah ihn herzerweichend und zweifelnd an. „Wenn ich's nicht bin, ändert das wohl auch nichts daran, oder?" Wie gerne würde er ihr das Gespräch ersparen. „Vermutlich nicht. Du wirst dir das wohl oder übel irgendwann anhören müssen. Bevor wir anfangen, muss ich aber noch zwei Dinge loswerden." Er machte eine Pause und sah sie zerknirscht an. „Ich muss mich für mein Verhalten von gestern entschuldigen. Dein Eindruck war richtig. Ich war tatsächlich nicht ganz ich selbst." „Warum war das so?", hakte Lee sofort nach. „Zu dem Warum kommen wir später. Erst mal ist mir viel wichtiger, dass du meine Entschuldigung annimmst. Bitte glaube mir, dass ich dir niemals etwas antun werde und ich werde dich auch zu nichts zwingen, wenn es nicht zu deinem eigenen Schutz ist." Er sah sie prüfend an. „Glaubst du mir das?" Sie schien einen Moment zu überlegen. „Ja, ich glaube dir. Wir sind schon so lange befreundet und hast nie etwas getan, was mir geschadet hätte. Im Gegenteil, du hast mich immer beschützt und mir immer geholfen. Du bist mir einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben, Liam. Du bist mein großer Bruder." Er überhörte den letzten Teil großzügig und versuchte sich die Freude über ihre Zugneigungsbekundung nicht anmerken zu lassen. „Gut!" Er hielt ihr den Umschlag hin. „Du bist nicht die Einzige, die heute Post von Iris bekommen hat." Die Botschaft an ihn war allerdings deutlich knapper ausgefallen. Lee warf ein Blick auf die Notiz. Er kannte sie ja schon.
Wolf,
erzähl ihr alles!
Beschütze sie mit Deinem Leben!
Iris
„Ja" Lee sprach sehr leise. „Mom hatte schon immer eine echt charmante Ader." Mit diesem Kommentar legte sie das Schreiben zur Seite. „Stimmt, deshalb werde ich dieses Jobangebot auch annehmen.", sagte er und zwinkerte ihr zu. Ein Lächeln spielte um ihre Lippen. „Du kriegst kein Geld dafür. Die Arbeitszeiten sind mehr als mies und du hast mich an der Backe. Klingt als wäre mein Babysitter zu spielen, ein echter Traumjob.", bemerkte sie trocken. „Kohle interessiert mich nicht und Zeit mit dir zu verbringen ist weder Arbeit noch nervig. Also ja, für mich klingt der Job interessant.", entgegnete er ihr charmant. Lee verdrehte die Augen und murmelte etwas wie, „Schleimer." Nach einer Weile seufzte sie lange und sah ihn erwartungsvoll an. „Jetzt kommt die Passage, in der du mir von allem erzählst, was mir bisher immer alle verschwiegen haben, oder?"
Liam nickte langsam, jetzt konnte er sich wohl nicht mehr darum drücken. Er nahm ihre Hände in die Seinen und streichelte vorsichtig mit seinen Daumen über ihre Handrücken. Diese Berührung ließ ihn ruhiger werden und auch Lees Puls verlangsamte sich allmählich.
„Du hast recht, bisher haben dir einige Leute nicht alles über sich erzählt. Ich hoffe, du kannst deiner Mutter und mir das irgendwann verzeihen. Aber die oberste Regel aller nicht ganz menschlichen Wesen ist die Geheimhaltung. Die aller meisten dieser Wesen leben unter Menschen. Viele sind auch mit Menschen zusammen. Sie wollen nicht gefürchtet oder gehasst werden und auch wenn alle Übernatürliche eine Art Mensch 2.0 sind, sind sie nicht völlig unzerstörbar. Sie halten mehr aus, leben auch länger, aber eine entschlossene Gruppe wütender Menschen kann allen von uns wirklich gefährlich werden. Und glaub mir, es gab schon einige gut vertuschte Vorfälle dieser Art. Wir können untereinander immer offen über alle Dinge reden, aber wenn Menschen dabei sind, auch so jemand wie dein Vater oder deine Schwester, darfst du auf keinen Fall ein Wort darüber verlieren. Die Menschen glauben wir alle sind Kreaturen, die es nur in Büchern und Filme gibt. Dabei müssen wir es unbedingt belassen. Kannst du mir garantieren, dass du dieses Geheimnis immer wahren wirst, bevor ich dir wirklich alles was ich weiß erzähle?" Lee hatte ihren Kopf schief gelegt und sah ihn nachdenklich an. „Wenn ich das richtig verstanden habe, was meine Mom mir geschrieben hat, bin ich auch eines dieser Wesen, das sich fürchten müssen, von einem wütenden Menschenmob gelyncht zu werden. Richtig?" „Stimmt", gab Liam zu. Lee nickte langsam, „Dann schwöre ich dir, dass ich niemals einem Menschen unsere Existenz verraten werde. Aber eine Frage hab ich dazu dann auch gleich. Warum wolltest du Isa davon erzählen?" Liam lachte auf. Sein Kätzchen dachte gut mit. Moment! Sein Kätzchen? Verdammt noch eins, er musste endlich aufhören, sie sich
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