Goettin - Das Erwachen
vergewaltigend durch die Lande zogen und die relativ kleinen Gruppen von Menschen ihnen nichts anhaben konnten. Ultimative Macht korrumpiert ultimativ!" Lee zog die Augenbrauen hoch und er musste seufzen. Ja, keine besonders ruhmreiche Geschichte, die er ihr bieten konnte.
„Es dauerte eine Weile, bis wieder eine der mächtigen Hexen von der Menschheit hervorgebracht wurde. Diese konnte die Veränderungen nicht mehr rückgängig machen, also entschloss sie sich, selbst eine Spezies zu erschaffen. Sozusagen als natürlichen Fressfeind der Gestaltenwandler. Sie stellte es ein bisschen schlauer als ihre Vorgängerin an. Auch sie suchte sich junge, kräftige Männer. Sie schenkte ihnen das ewige Leben und machte sie noch kräftiger, als die Gestaltenwandler. Sie nahm ihnen aber gleichzeitig die Zeugungsfähigkeit und das Sonnenlicht. Um die Menschen für die neue Rasse wichtig zu machen, mussten die Männer sich von ihrem Blut ernähren. Sie brauchten nicht so viel, dass die Menschen sterben würden, aber genug, dass sie unter den Menschen leben mussten und die Menschheit brauchten. Sie gab ihnen die Möglichkeit sich zu vermehren nur sehr eingeschränkt. Nur etwa jeder 5. schafft die Wandlung zum Vampir. Alle anderen sterben bei dem Versuch. Und sie gab dem Blut der Vampire eine besondere, heilende Wirkung auf Menschen. Aber auch sie dachte wohl nicht daran, dass auch ihre Kreaturen nicht nur Gutes tun würden und den Menschen schaden könnten. So entbrannte ein Krieg zwischen den Wandlern und den Vampiren. Sie konnten tatsächlich die Ausbreitung der Gestaltenwandler mit großen eigenen Verlusten eindämmen. Dummerweise dauert dieser Krieg bis zum heutigen Tag an und auf beiden Seiten gibt es nicht mehr all zu viele." Lee sah ihn nun mitleidig an. „Warum hat man nicht irgendwann Frieden geschlossen?" Liam seufzte, er war so müde. Müde von diesem immerwährenden Kampf. „Wir sind letztendlich auch nur Menschen. Und Menschen sind rachsüchtig. Jeder hat schon mindestens ein von ihm geliebtes Wesen in diesem Krieg verloren und viele sinnen auf Rache." Nun seufzte auch Lee. „Also seid ihr auch nicht besser, als die streitsüchtigen Menschen?!" Liam lachte bitter, ja sie verstand wirklich schnell. „Wir sind schneller, stärker und zäher, aber nein. Wir sind keinen Deut besser." Lee nickte und trank ihren Bourbon aus.
„Wie kommt es, dass ihr diesen Krieg vor den Menschen verheimlichen könnt?", verlangte sie zu wissen. „Nun, bis vor siebzig Jahren haben wir das nicht getan. Wir haben einfach die menschlichen Kriege als Schutz genommen. Da keiner auf einem Schlachtfeld so genau hinsieht, wer da nebenan kämpft und stirbt, ist es den Menschen einfach nicht aufgefallen, denke ich. Diese Taktik hat bis zum 2. Weltkrieg funktioniert. Da waren es plötzlich die Menschen, die mit ihren neuen Waffen unbewusst beide Seiten unseres Krieges enorme Verluste beigebracht haben. Wenn es Menschen gibt, die zu genau hinsehen, haben sie in aller Regel anschließend einen Zusammenstoß mit einem wilden Tier. Und der geht tödlich aus. Um ganz offen zu sein, zählt unter den Wandlern und unter den Vampiren ein Menschenleben nicht so viel, wie es sollte." Er räusperte sich. Dieses Thema war sehr heikel und er wusste nicht genau, wie Lee darauf reagieren würde.
„Das heißt, Menschen sind weniger wert? Wie könnt ihr es dann geheim halten, wenn ihr meine Spezies tötet?" Lee funkelte ihn wütend an. „Nein. Menschen sind nicht weniger wert.", stellte er sofort klar. „Und ich akzeptiere auch niemanden in meinem Rudel, der darüber anderer Meinung ist. Eigentlich kann sich diese Meinung auch keiner leisten. Die Menschen sind uns eine Million zu eins überlegen. Wir würden ausgerottet werden, wenn wir wirklich eine Bedrohung darstellen würden." Lee sah ihn nachdenklich an. „Du willst mir damit also sagen, dass Menschen nur dann etwas zu befürchten haben, wenn sie zur Gefahr werden?", fragte sie misstrauisch. Liam wägte seine Antwort ab. Natürlich konnte er nicht für alle Wandler und Vampire auf dieser Erde sprechen. „Ich würde niemals jemanden angreifen, wenn davon nicht mein Leben oder das meiner Leute abhängen würde." Lees Gesicht spiegelte brennende Wut wieder. „Wie viele waren es?", knurrte sie kaum hörbar. Liam sah ihr fest in die Augen. Wenn er es nun vermasselte, konnte es richtig ernst werden. „Keine! Ich habe noch nie einen Menschen getötet.", stellte er aufrichtig fest. Das war die Wahrheit.
Weitere Kostenlose Bücher