Goettin - Das Erwachen
schließlich. James nickte und setzte sich mühevoll auf. Er hatte Grigori nicht richtig verstehen können, weil vor Aufregung der russische Akzent stark durchgebrochen war. Allerdings hatte er sich das Meiste zusammengereimt. Nun musste er sich nur noch eine Idee aus den Fingern saugen. „Sie wird beschützt. Ein Alphawolf und eine Hexe schützen sie." sagte er leise und sah schnell wieder den Boden an. „Ich wusste, dass er das machen würde!", stieß der Vampir aus und setzte sich wieder hinter den demolierten Schreibtisch. Langsam und unter Schmerzen stand James auf.
„Können nicht sie hin und die Schlampe einfach mitnehmen?", schlug James vor, als er wieder an seinem angestammten Platz stand. Ein Moment schien sein Meister über seine Worte nachzudenken. Erleichterung machte sich bei ihm breit. Das war ein gutes Zeichen. „Nein, wenn ich in ihre Nähe komme, wird er mich angreifen.", sagte der Vampir halblaut. Abrupt verschwand die Erleichterung. „Wer, Sir?", fragte James. „Mein Bruder.", knurrte dieser zurück. James verstand nicht und schüttelte leicht den Kopf. Der Meister machte eine Geste, als würde er immer alles mehrfach erklären müssen und verzog genervt das Gesicht. James erwartete wieder erwürgt zu werden, doch nichts geschah.
„Die Schlampe ist die Braut meines Bruders. Ich kann ihn nicht angreifen, aber ich kann ihm das Leben zur Hölle machen. Wenn zum Beispiel die Leiche seiner große Liebe furchtbar verstümmelt auftaucht, wäre das die Art von Hölle, die ich ihm wünsche." erklärte sein Meister kalt lächelnd, während er Holzstücke aus dem Loch im Schreibtisch riss. Offenbar war der Bruder des Meisters stärker, aber James war weise genug das nicht anzusprechen. Er dachte einen Moment über die Situation nach.
„Sir, sie sind so viel erfahrener als ich, aber ist es nicht so, dass Hexen kaum Kräfte haben?", setzte er an. Eine Idee nahm langsam Gestalt an. „Ja, warum?", fragte der Meister interessiert. „Nun, ich denke, die Hexe können wir deshalb außer Acht lassen.", erklärte er vorsichtig. Der Vampir nickte kurz, sah ihn aber weiter genervt an. James wusste, dass das sein normaler Gesichtsausdruck war. „Bleibt immer noch der Wolf." setzte James wieder an. Er hatte keine Ahnung, wie sie den umgehen sollten. „Soll ich versuchen ihn zu bestechen?", bot er weiter an.
„Nein, alle Männer meines Bruders sind unbestechlich.", sagte der Meister gelassen und beugte sich ein Stück vor. Offenbar hatte er einen Entschluss gefasst. Ein eisiges Lächeln umspielte seinen Mund. „Aber Wölfe sind einfältig, wenn er sich zwischen dem Menschen und seinem Rudel entscheiden muss, wird er sie mir freiwillig überlassen."
Kapitel 18
Lee straffte die Schultern und sah stur gerade aus. „Achte nicht auf die.", riet ihr Mia leise. Sie ging neben ihr auf dem schmalen Weg zur Liegewiese. Während sie durch das kleine Freibad zu dem angestammten Platz der Royalcrew gingen, versuchte Lee die verstohlenen Blicke und das Getuschel zu ignorieren. Gar nicht so einfach. Stellte sie gerade fest. Ja, sie war nun mit dem Exfreund ihrer Schwester zusammen. Das alleine brachte die Gerüchteküche in dem kleinen Ort fast zum Überkochen. Dass der besagte Mann, auch noch ein Farbiger war und bedrohlich aussah, hatte dafür gesorgt, dass sie in diesem Sommer das Hauptthema waren. Die Bewohner schienen sich über nichts Anderes mehr zu unterhalten. Überall fuhren die Menschen ertappt auseinander und verstummten, wenn sie dazu kam. Nur ihre Jungs und Mia behandelten sie nicht wie eine Aussätzige. Sogar ihr Vater hatte verhaltene Kritik geübt. Er, der angesehene Geschäftsmann, machte sich bei nahezu allem Sorgen, was die Leute denken und tratschen würden. Es schmerzte sie ein wenig ihn damit zu enttäuschen, aber sie würde nicht, nur weil ihr Vater um ihren Ruf besorgt war, ihre Lebensweise ändern. Aus dem Augenwinkel erkannte sie Stefanie. Sie war früher in ihrer Klasse gewesen und die Jungs waren ihr in Scharen hinterher gelaufen. Kein Wunder, bei der makellosen Erscheinung, die sie abgab. Abgegeben hatte. Die Zeit hatte es nicht so gut mit ihr gemeint. „Ach guck an, die Dorfschlampe.", raunte Steffi so laut, dass alle im Umkreis es mitbekamen, ihrem Mann zu. In Lee stieg siedend heiße Wut auf und sie stoppte abrupt. Sie würde sich sicher nicht von jemandem, der mit dreizehn seine Unschuld verloren hatte, als Schlampe bezeichnen lassen. Mia blieb ebenfalls stehen und zog Lee an
Weitere Kostenlose Bücher