Goettin - Das Erwachen
wählerisch zu sein. Immerhin war die ganze Stadt empört über ihr zügelloses Verhalten.
„Wo sind die Anderen?", fragte sie, um das Schweigen, das sich ausgebreitet hatte, zu unterbrechen. Mia war im Wasser und von ihren restlichen Jungs war weit und breit nichts zu sehen. Pino zuckte desinteressiert mit den Schultern und riss weiter gedankenverloren Grashalme aus. Eigentlich hatte sie nach dem Zusammenstoß mit Steffi keinen weiteren Bedarf an Ärger, aber sie wollte wissen, worüber Pino so offensichtlich grübelte. Wenn ich auf den Deal eingehe und das Zeug nebenher an der Bar verticke, könnte ich endlich genug Geld machen, um alleine klarzukommen. Ich könnte weg von diesem Lupo und mich alleine beschützen. Dann könnte ich auch meine anderen Pläne verfolgen, ohne ständig unter Beobachtung zu stehen ... Lee starrte Pino mit aufgerissenen Augen an. Dass das einer der seltenen Momente war, bei denen er nicht an schmutzige Dinge dachte, machte es auch nicht besser. Sie wusste sofort, was er mit „Zeug" meinte.
„ Bist du wahnsinnig?", zischte sie leise, aber entsetzt. Pino schreckte hoch und sah sie irritiert an. Du kannst doch nicht allen Ernstes darüber nachdenken, in einem Club voller Wölfe mit extrem guten Nasen Drogen zu verticken. Sie werden es sofort riechen und dich hochkant hinauswerfen. Dann musst du dich völlig mittellos alleine durchschlagen! Pino schrie leise wie ein gequältes Kätzchen auf und hielt die Hände schützend vor seinen Kopf. Das war das erste Mal, dass sie mit jemand Anderem außer Liam und Josh auf diese Weise kommunizierte, aber das bemerkte sie nicht. Pino blinzelte sie entsetzt und stumm an. „Tickst du nicht mehr ganz richtig?", wiederholte sie. „Du hattest kein Recht mitzuhören!", fauchte er sie leise an. „Wenn ich damit verhindern kann, dass du die mit Abstand größte Scheiße deines ganzen Lebens baust, hatte ich jedes Recht.", wies sie ihn harsch zurecht.
Sie achtete dabei darauf, dass die anderen Besucher nichts von ihrer Diskussion mitbekamen. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn jemand mithörte. Wenn das Gerücht über Drogen im Royal die Runde machte, würde bald die Polizei auf der Matte stehen. Sie würden selbstverständlich keinen Stoff entdecken, aber sie konnten ein nicht registriertes, also ziemlich illegales, Waffenarsenal für eine kleine Armee finden. Wenigsten zischte auch Pino weiter kaum hörbar, als er wieder sprach. „Wenn du willst, dass dein beschissener, arroganter Wolf am Leben bleibt, verlierst du über meine Gedanken kein Wort. Ich will dir nicht wehtun, wirklich nicht. Aber den Arsch von deinem Schaf im Wolfspelz wollen so viele, dass ich sie Nummern ziehen lassen könnte. Vergiss was du gehört hast und alles ist cool." Pino drohte ihr. Nach so vielen Jahren schien es ihn nicht zu jucken, dass er eine Freundin bedrohte. Nein, eigentlich bedrohte er Liam und nicht sie. Sollte sie klein beigeben und sich damit vor noch mehr unbekannten Gefahren schützen? Wäre vermutlich klüger, aber das wäre dann nicht mehr sie, entschied sie. Sie öffnete den Mund, um dieser aufgeblasene Katze eine ordentliche Lektion zu erteilen.
Zum zweiten Mal heute zögerte sie, als ihr etwas bewusst wurde. Hier ging es nicht um sie. Pino wollte keine Drogen in ihren Club bringen und er hatte auch nicht ihr Leben bedroht. Wenn sie ihr eigenes Leben verzockte, musste sie eben damit klarkommen, aber mit Liams Existenz russisches Roulette zu spielen, war schlicht grenzenlose Verantwortungslosigkeit und Ignoranz. „Ich hatte nicht vor davon irgendjemand zu erzählen. Im Gegensatz zu dir bedeutet mir eine Freundschaft was." Pino wirkte erleichtert. Lee überging das. Sie war noch nicht fertig. „Aber wenn ich mitbekomme, dass du auch nur daran denkst, die Harakiri-Nummer wirklich durchzuziehen und ..." Sie tippte sich schnell an den Kopf, um ihrer Drohung Ausdruck zu verleihen. „Ich werde es mitbekommen, dann wirst du niemanden mehr informieren können. Befreundet oder nicht, das ist mir dann ganz egal. Ist das klar?" Für einen Moment sah Pino so aus, als hätte sie ihm gerade eine schallende Ohrfeige verpasst. Er setzte zum Sprechen an, fuhr dann aber hoch und schien zu lauschen. Lee nickte nur leicht, ihre Jungs kamen und Pino hörte es. „War ne blöde Idee. Bitte, kein Wort." stotterte Pino leise, als er aufstand und zusah, dass er Land gewann. Lee nickte. Ja, es war eine wirklich bescheuerte Idee und ja, sie würde es niemandem sagen.
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