Goettin - Das Erwachen
ihrer Schulter abgelegt hatte, konnte sie seine leise, brüchige Stimme problemlos verstehen. „Ich war morgens auf dem Stützpunkt in Pearl und habe ein paar Trainingseinheiten abgehalten. Es war ein schöner, klarer Morgen, bis wir Motorenlärm hörten und die Hölle losbrach." Lee wusste sofort, wovon er sprach. Der Angriff auf Pearl Habor. Auch ohne ihre zwei Semester Geschichte, hätte sie das sofort gewusst. „Ich habe mich verwandelt und gemacht, dass ich dort wegkomme. Wir konnten von unserer Hütte in den Bergen auf Pearl City sehen. Neyla muss den Angriff gesehen haben. Jedenfalls ist sie zum Hafen gefahren. Sie wollte mich retten und ist dabei selbst getötet worden." Tragischer hätte die Liebesgeschichte nicht ausgehen können. So wie Chris litt, gab er sich die Schuld, vermutete Lee. „Du bist nicht schuld! Es war ihre Entscheidung zum Hafen zu fahren. Nicht deine!", stellte sei fest und zog den Kopf zurück. Zögernd hob auch Chris seinen Kopf. Zu ihrer Verwunderung sah sie ein kleines, dünnes Lächeln auf Chris Lippen. „Das weiß ich jetzt auch. Du hast mir gezeigt, dass es Menschen gibt, die sehenden Auges in den Tod laufen. Ohne mit der Wimper zu zucken und nur weil jemand in Gefahr sein könnte. Vor allem wenn sie glauben, ein kampferprobter Alphawolf könnte sich nicht gegen ein paar Blutsauger wehren. Noch so ein Charakterzug, den ihr beide habt. Ein unglaublich heldenhafter und selbstloser Charakterzug, aber auch unglaublich dumm!" Sie wusste, worauf er damit anspielte. Liams und ihr Kampf gegen Ivan und Stefan. „Er hat aber tatsächlich Hilfe gebraucht." verteidigte sich Lee. Chris ließ sie los und nickte leicht zum Auto.
Sie ging herum und stieg ein. Als sie den Motor angelassen hatte und losfuhr, verteidigte sie sich weiter. „Du kannst Neylas und meine Reaktion nicht vergleichen. Das Risiko, das ich eingegangen bin, war kalkuliert. Ich hatte Zeit, um darüber nachzudenken und ich konnte wirklich etwas ausrichten." Leise lachte Chris und drehte sich im Sitz zu ihr. „Erstens wärst du damals in Neylas Lage gewesen, hättest du dasselbe getan. Nicht nur wenn dort deine große Liebe gewesen wäre." Lee musste zugeben, dass sie das vermutlich wirklich getan hätte. „Und zweitens weiß ich, dass du kein Mensch bist. Ich weiß sogar, dass du so viel mächtiger, als das gesamte Rudel bist. Trotzdem bist du nicht unsterblich!" Als sie diese Worte begriff, wäre sie um ein Haar in die Weinberge gefahren. Da sie erst gerade angefahren war, hatte sie noch kein Tempo drauf gehabt. Schlingernd brachte sie das Auto mitten auf der Straße zum Stehen und starrte Chris völlig entgeistert an. „Wie ...? Woher ...? Was ...?" Chris nickte nur leicht, als hätte er damit die Bestätigung. „Da drüben ist eine Parkbank. Fahr da mal hin." Sie folgte mit ihren Augen seinem Finger und sah wirklich eine kleine Aussichtsplattform. Wie sollte sie da nur jemals wieder raus kommen? Oder sollte sie Chris einfach reinen Wein einschenken? Er wollte sicher keinen Vorteil für die Wandlerseite aus ihr machen, und da er sie bisher nicht angegriffen hatte, schien er auch nicht zu glauben, dass sie eine Gefahr war. Langsam steuerte sie den Wagen zu der Plattform. Sie würde sich zumindest anhören, was er zu sagen hatte.
Mit weichen Knien setzte sich Lee neben Chris auf die Bank. In seinen Gedanken hörte sie lediglich das Lied Blue von Eifel65. Offenbar wusste er, wie er die eine Fähigkeit umgehen konnte, aber er hätte sich dafür wirklich ein neueren Song aussuchen können. Genervt schaltete sie sich wieder heraus und sah ihn an. „Ich weiß, dass ich nicht reden brauche. Such dir die Informationen, die du haben willst und danach kannst du entscheiden, ob du mir etwas zu sagen hast oder nicht." Lee nickte langsam. Damit hatte er ihr erlaubt alle seine Erinnerungen durchzugehen und sie würde wissen, was an seiner Geschichte Wahrheit und Lüge gewesen war. Nein, es war mehr. Chris gab ihr die Erlaubnis, sein Leben, seine Geschichte und seine Wesen auseinander zu pflücken und offenbarte damit alles. Sie sah ihm in die Augen und ließ sich langsam davon anziehen.
Sie fühlte seine Erinnerungen zu diesen Blauhelmen durch. Sie fühlte die tiefe Freundschaft zu dem General und dem Vampir Nael, die Kameradschaft zu den anderen Brüdern, den Adrenalinschub beim Kampf und die felsenfeste Überzeugung, dass sie für das Gute und Richtige kämpften. Er hatte sie nicht belogen.
Die Liebe, die ihr
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