Goettin - Das Erwachen
entgegenschlug, als sie Neylas Erinnerungen aufrief, hätte sie beinahe aus seinem Kopf katapultiert. Nie war ihr eine intensivere Emotion begegnet. Nichtmal bei ihren Eigenen. Sie fühlte nicht nur Liebe und Leidenschaft. Da waren Wärme, Geborgenheit, Fürsorge und Respekt. Das Gefühl vollständig und angekommen zu sein, war sehr stark gewesen. Sie hatte keinen Zweifel, dass Neyla wirklich die eine große Liebe für Chris gewesen war. Schnell ließ sie diese Erinnerung los, bevor sie Chris mit der Trauer, die darauf folgen würde, quälte. Lee hatte sich noch nie so gefühlt. Sollte ihr jemals ein Mann begegnen, der nur halb so starke Gefühle bei ihr auslöste, konnte sie sich glücklich schätzen.
Sie wand sich den Erinnerungen über das Rudel und sich selbst zu. Sie hatte bei Chris sowohl Zuneigung als auch Wehmut ausgelöst. Offenbar erinnerte sie ihn wirklich an Neyla. Vor Liam hatte Chris Respekt. Er hielt ihn für einen sehr guten Anführer, obwohl er wohl mal daran gezweifelt hatte. Die ersten Zweifel, an der Geschichte, die Liam und sie ihnen erzählt hatte, waren ihm gekommen, als Liam so entspannt auf den Flirt mit Nick und sie noch entspannter auf Miriam reagiert hatte. Wenn man die große Liebe bereits erlebt hatte, konnte man das wohl gut abschätzen. Sie fühlte Misstrauen, wegen der Lüge und weil sie trotzdem wie Kletten aufeinander klebten. Das anfangs vage Gefühl, das hier noch etwas völlig anderes lief, wurde stärker, als er beobachtete wie müde sie plötzlich immer war und er ihren Duft auf der Rudellichtung sehr stark wahrnahm. Wut und das bittere Gefühl des Betrugs hatten ihn erfasst, als Liam ihr gestattet hatte ihn zu begleiten. Sie wusste, dass das der Abend gewesen war, als die Vampire in die Stadt gekommen waren. Da sie nicht von Liam markiert worden war und trotzdem wie frisch markiert gerochen hatte, hatten ihm die Bestätigung das Liam und sie nicht die große Liebe verbanden und die Erkenntnis, dass Lee physisch stärker als ein Mensch sein musste gebracht. Ganz sicher, dass sie etwas enorm Starkes und Mächtiges war, war Chris gewesen, als Liam sie noch mal alleine in die vermeintliche Gefahr losgeschickt hatte. Selbst wenn sie Liam völlig egal gewesen wäre, hätte das kein normal denkender Mensch und schon gar nicht Liam, der sonst so fürsorgliche Alpha, getan. Von seiner Warte aus betrachtet, hatten Liam und sie schon einige Fehler begangen.
Sie zog sich wieder zurück und wusste nicht genau, was sie sagen sollte. „Also ..." Mehr fiel ihr im Moment nicht ein. Doch eines schon. „Bist du der Einzige, der das bemerkt hat?" Sie fühlte Chris Hand auf ihrem Knie. Es war eine sehr tröstende Berührung. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Anderen nicht so genau beobachten. Sie wollen Liam glauben. Sehr menschlich, nicht?" Die Antwort beruhigte sie ein wenig. Wenn nur Chris davon etwas bemerkt hatte, konnte sie damit leben. Immerhin war ihr noch niemand begegnet, der ihr so viel Vertrauen entgegenbrachte und sich völlig offenbarte. Sie hing noch in ihren Gedanken, bis Chris das Schweigen brach. „Was bist du, Lee?" Ihr Magen zog sich zusammen und sie lachte bitter auf. Damit hatte Chris ihr die eine Frage gestellt, die sie nicht beantworten konnte. „Das wüsste ich selbst gerne. Deinen Vermutungen sind richtig. Naja, bis auf das mit der physischen Stärke. Mein Körper ist menschlich. Die Verwechslung mit der Markierung kam wegen eines ordentlichen Schluck Vampirbluts zustande." Chris wirkte kaum überrascht und lachte leise. „Ich will gar nicht wissen, wie es dazu kam, oder?" Lee überlegte kurz. „Nein, glaub mir. Willst du nicht." bestätigte sie. Chris hegte keinen Gräuel gegen Vampire und war mit Einigen sogar eng befreundet, trotzdem war es Liams Freund. Sie fand, nur er hatte das Recht einen Dritten darüber zu informieren. „Und was kannst du?" lenkte Chris das Gespräch wieder zu seiner ursprünglichen Frage. „Ich weiß es wirklich nicht. Ich bin menschlich und habe trotzdem die Macht magische Wesen vollkommen zu kontrollieren. Ich habe unglaubliche Kräfte. Liam und ich versuchen seit Monaten herauszufinden, was ich kann und was nicht. Deshalb sind wir täglich auf der Lichtung. Aber du musst mir glauben, ich hab nicht die leiseste Ahnung, warum ich bin, was ich bin." Sie sah Chris erwartungsvoll an und war erleichtert, als er nickte. Er glaubte ihr. „Ich denke, ich weiß, wer dir helfen kann. Wenn du damit einverstanden bist, werde ich den
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