Goettin in Gummistiefeln
was soll das? Was meinst du?« Ich versuche es möglichst ruhig zu sagen, doch bei mir bimmeln sämtliche Alarmglocken.
»Jetzt komm schon«, sagt er belustigt. »Du musst doch wissen, was ich meine. Samantha, du kannst weiter die Unschuld vom Lande spielen. Aber wir wissen Bescheid.«
»Was wisst ihr?« Ich bin vollkommen ratlos.
Nathaniel schüttelt nur den Kopf, als würde er am liebsten lachen. »Ich gebe dir einen Tipp. Morgen.« Er küsst mich noch mal und verschwindet dann im Garten.
Ich habe keine Ahnung, wovon er redet. Morgen? Das soll ein Tipp sein?
Gegen Mittag des folgenden Tages bin ich keinen Deut schlauer. Was vielleicht daran liegt, dass ich keine Sekunde Zeit hatte, mich mal hinzusetzen und einen klaren Gedanken zu fassen. Was daran liegen könnte, dass ich den ganzen Tag rumrennen und Miss-angehende-Staranwältin bedienen muss.
Ich habe ihr an die fünfzig Tassen Kaffee gekocht, den sie kaum angerührt hat. Ich habe ihr eisgekühltes Mineralwasser serviert. Sandwichs gemacht. Ich habe ihre ganze Schmutzwäsche gewaschen, da ihr Koffer, wie sich herausstellte, nichts anderes enthielt. Ich habe ihr eine weiße Bluse gebügelt, die sie abends anziehen will. Und immer wenn ich mich an meine eigentlichen Arbeiten machen will, plärrt sie schon wieder nach mir.
Und Trish läuft derweil auf Zehenspitzen rum, als säße T. S. Eliot persönlich in unserem Garten und würde an seinem letzten epischen Werk arbeiten. Während ich im Wohnzimmer abstaube, späht Trish zu Melissa hinaus, die an einem Tisch im Garten sitzt.
»Sie ist so fleißig.« Trish pafft an ihrer Zigarette. »So ein begabtes Mädchen, unsere Melissa.«
»Mmm«, brumme ich.
»Wissen Sie, es ist nicht leicht, zum Jurastudium zugelassen zu werden, Samantha. Besonders nicht an der besten Uni!« Sie wirft mir einen bedeutsamen Blick zu. »Melissa musste Hunderte von Bewerbern schlagen, um diesen Platz zu kriegen!«
»Toll.« Ich klatsche mit dem Staublappen über den Fernseher. »Echt toll.«
Und sie ist nicht auf der besten Uni. Bloß zu deiner Info.
»Wie lang wird sie bleiben?«, frage ich so beiläufig wie möglich.
»Kommt drauf an.« Trish bläst eine Rauchwolke von sich. »Sie hat in ein paar Wochen Prüfungen, und wir haben ihr gesagt, dass sie bleiben kann, so lange sie will!«
Wochen? Etwa wochenlang? Sie ist erst einen Tag da und treibt mich jetzt schon in den Wahnsinn.
Den Nachmittag verbringe ich in der Küche und tue so, als würde ich unter Anfällen von Taubheit leiden. Immer wenn Melissa nach mir ruft, drehe ich den Mixer an oder das Radio oder scheppere mit dem Backblech. Wenn sie was von mir will, soll sie sich gefälligst herbemühen.
Schließlich taucht sie mit zornroten Wangen in der Hintertür auf.
»Samantha, ich rufe schon die ganze Zeit nach Ihnen!«
»Ach ja?« Ich blicke unschuldig von der Butter auf, die ich in Würfel schneide, um Teig zu machen. »Hab Sie gar nicht gehört.«
»Ich brauche eine Tischglocke oder sonst was.« Sie schnauft vor Ungeduld. »Es geht einfach nicht, dass ich meine Arbeit unterbrechen muss, nur um Sie zu suchen.«
»Was wollen Sie?«
»Mein Wasserkrug ist leer. Und ich brauche irgendeine Kleinigkeit zu essen. Ich muss aufpassen, dass mein Blutzuckerspiegel nicht absinkt.«
»Sie hätten den Krug ja gleich mitbringen können, wenn Sie sowieso in die Küche gehen«, schlage ich in mildem Ton vor. »Oder sich selbst ein Brot schmieren oder so was.«
»Hören Sie, ich habe was Besseres zu tun, als mir selbst Brote zu schmieren, okay?«, faucht sie mich an. »Ich stehe unter wahnsinnigem Zeitdruck. Ich habe einen Berg von Arbeit. Die Examina stehen an ... Sie haben ja keine Ahnung, wie das ist.«
Ich starre sie stumm, schweratmend an, versuche mich nicht aufzuregen.
»Ich bringe Ihnen ein Sandwich raus«, sage ich schließlich.
»Herzlichen Dank«, antwortet sie sarkastisch und verschränkt dann die Arme, als würde sie auf etwas warten.
»Was?«, frage ich ungehalten.
»Machen Sie schon.« Sie wedelt mit der Hand. »Knicksen Sie schon.«
Wie bitte? Sie macht wohl Witze. »Vor Ihnen knickse ich doch nicht!«, sage ich fast lachend.
»Sie knicksen vor meiner Tante. Und meinem Onkel.«
»Die sind auch meine Arbeitgeber«, entgegne ich grimmig. »Das ist was anderes.« Und glaub mir, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, dann würde hier niemand knicksen!
»Ich wohne hier.« Sie wirft ihr Haar zurück. »Also bin ich jetzt auch Ihre Vorgesetzte. Und ich erwarte
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