Goettin in Gummistiefeln
Recht.« Ich werfe noch einen Blick auf die Carter-Spink-Broschüre. Sie ist bei einem Bild von Arnold aufgeschlagen. Er trägt eine leuchtend blaue Tüpfchenkrawatte und ein dazu passendes Einstecktuch und blickt den Betrachter strahlend an. Sein bloßer Anblick bringt mich zum Lächeln.
»Dann bewerben Sie sich also bei dieser Kanzlei?«, erkundige ich mich beiläufig.
»Jep. Sind die Besten.« Melissa holt sich eine Cola Light aus dem Kühlschrank. »Bei dem hätte ich eigentlich mein Vorstellungsgespräch gehabt.« Sie weist mit einem Kopfrucken auf Arnold. »Aber er verlässt die Firma.«
Das kann ich kaum glauben. Arnold und Carter Spink verlassen?
»Sind Sie sicher?«, sage ich, bevor ich merke, was ich tue.
»Ja.« Melissa wirft mir einen eigenartigen Blick zu. »Was kümmert Sie das?«
»Ach, nichts.« Ich werfe hastig die Broschüre beiseite. »Ich dachte nur ... so alt sieht er eigentlich noch nicht aus, dass er schon in Rente geht.«
»Tja.« Sie zuckt die Achseln und schlendert aus der Küche. Ich starre ihr verwirrt nach.
Arnold verlässt Carter Spink? Aber er hat doch immer damit geprahlt, dass er nie aufhören würde. Dass er es noch mindestens zwanzig Jahre machen würde. Warum geht er jetzt doch?
Ich habe überhaupt nichts mehr mitgekriegt. Die letzten Wochen waren, als hätte ich in einer Seifenblase gelebt. Ich habe weder einen Lawyer gelesen noch auch nur eine normale Tageszeitung. Keinen Fachtratsch, und das machte mir auch nicht das Geringste aus. Aber jetzt, wo ich in Arnolds vertrautes Gesicht schaue, plagt mich doch die Neugier.
Ich weiß, dass das nicht mehr meine Welt ist, aber wissen will ich es trotzdem. Warum um alles in der Welt verlässt Arnold die Kanzlei? Was ist sonst noch passiert, von dem ich keine Ahnung habe?
Also schlüpfe ich an diesem Nachmittag in Eddies Studierzimmer, schalte den Computer an und rufe Google auf. Ich suche nach »Arnold Saville« - und da kommt es auch schon, auf der zweiten Seite, ein kleiner Artikel über seine Frühpensionierung. Ich lese die kurze Abhandlung wieder und wieder durch, aber ich werde nicht schlau daraus. Wieso sollte Arnold jetzt schon in den Ruhestand treten? Ist er etwa krank?
Ich suche weiter, aber mehr finde ich nicht. Nach kurzem Zögern gehe ich wieder zur Suchbox und tippe - wider besseren Wissens - »Samantha Sweeting« ein. Sofort poppen eine Million Stories auf den Bildschirm. Diesmal bin ich zumindest darauf gefasst. Es tut kaum noch weh.
Ich gehe Eintrag um Eintrag durch, immer wieder dasselbe. Nachdem ich mich durch fünf Seiten geklickt habe, füge ich meiner Suche den Begriff »Third Union Bank« hinzu und sehe die Ergebnisse durch. Dann tippe ich »Third Union Bank, BLLC Holdings« ein, dann »Third Union Bank, Glazerbrooks«. Dann, mit einem flauen Gefühl im Magen, »Samantha Sweeting, 50 Millionen, Karriereaus« und warte auf all die hämischen Geschichten. Es ist als würde man den eigenen Autounfall zurückspulen und wieder und wieder ansehen.
Gott, Google kann einen süchtig machen. Vollkommen versunken sitze ich da, klicke und tippe und lese, verschlinge endlose Websites, benutze ganz automatisch das Carter-Spink-Passwort, wann immer nötig. Nach einer Stunde sitze ich zusammengesunken wie ein Zombie vor Eddies Computer. Mein Rücken tut weh, mein Nacken ist total steif, und die Worte verschwimmen vor meinen Augen. Ich hatte ganz vergessen, wie es ist, stundenlang am Computer zu sitzen. Habe ich das früher echt den ganzen Tag lang gemacht?
Ich reibe mir die müden Augen und starre die Website an, frage mich, was ich da überhaupt mache. Es ist eine obskure Gästeliste von einem Lunch, der irgendwann dieses Jahr in der Painters Hall stattfand. Irgendwann, nach der Hälfte, taucht der Name von BLLC Holdings auf, was wohl der Grund dafür ist, warum ich überhaupt auf dieser Site gelandet bin. Wie auf Autopilot grase ich mit dem Cursor die Seite ab - und stoße auf den Namen »Nicholas Hanford Jones, Direktor«.
Irgendwas regt sich in meinen belämmerten Gehirnwindungen. Nicholas Hanford Jones. Woher kenne ich diesen Namen? Warum erinnert er mich plötzlich an Ketterman?
Sind BLLC Holdings ein Klient von Ketterman? Nein, das kann nicht sein. Das hätte ich gehört.
Ich kneife die Augen zusammen, versuche mich angestrengt zu konzentrieren. Nicholas Hanford Jones. Ich kann es fast vor mir sehen: Da war was ... da war was ... Komm, streng dich an ...
Das ist das Problem mit einem fast fotografischen
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