Goettin in Gummistiefeln
Gedächtnis: Die Leute denken, wer weiß wie nützlich das ist, aber in Wirklichkeit treibt es einen bloß in den Wahnsinn.
Dann fällt es mir plötzlich wieder ein. Die verschnörkelte Schrift einer Hochzeitseinladung. Sie hing an Kettermans Pinnwand, vor etwas drei Jahren. Sie hing wochenlang dort. Immer, wenn ich sein Büro betrat, fiel mein Blick darauf:
Mr. und Mrs. Arnold Saville geben hiermit die Hochzeit ihrer Tochter Fiona mit Mr. Nicholas Hanford Jones bekannt.
Nicholas Hanford Jones ist Arnold Savilles Schwiegersohn? Arnold hat familiäre Verbindungen zur BLLC Holdings?
Vollkommen desorientiert lehne ich mich zurück. Wie kommt es, dass er das nie erwähnt hat?
Dann kommt mir ein anderer Gedanke. Ich war doch vor einer Minute auf der BLLC-Site des Companies House. Warum war Nicholas Hanford Jones da nicht als Direktor aufgeführt? Das allein verstößt schon gegen die Regeln.
Ich reibe mir die Stirn, dann tippe ich aus reiner Neugier »Nicholas Hanford Jones« in die Suchbox ein. Einen Moment später füllt sich der Bildschirm mit Einträgen. Gespannt beuge ich mich vor.
Herrgott noch mal, das Internet ist der reinste Gemischtwarenladen. Überall Nicholas‘, Hanfords und Jonses, in allen möglichen und unmöglichen Zusammenhängen. Merkt Google denn nicht, dass mich das nicht die Bohne interessiert? Wieso sollte ich was über eine kanadische Rudermannschaft mit einem Greg Hanford, einem Dave Jones und einem Chip Nicholas lesen wollen?
So werde ich nie was finden.
Trotzdem fange ich an, mich an den Einträgen hinunterzuarbeiten, von Seite zu Seite zu klicken. Und dann, als ich schon kurz davor bin aufzugeben, entdecke ich es, einen winzigen Eintrag, ganz unten, am Ende einer Seite. William Hanford Jones, Leiter Finanzen bei Glazerbrooks, bedankte sich bei Nicholas Jenkins für seine Rede ...
Ich starre den Eintrag mehrere Sekunden lang reglos an, vollkommen fassungslos. Der Finanzchef von Glazerbrooks heißt auch Hanford Jones? Sind die etwa miteinander verwandt? Ich komme mir vor wie eine Art Privatdetektiv, als ich nun Friends Reunited aufrufe. Zwei Minuten später habe ich meine Antwort: Sie sind Brüder.
Mir ist ganz schwindlig. Das ist eine ganz schön enge Verbindung. Der Finanzchef von Glazerbrooks, einer Firma, die pleite gemacht hat und bei der Third Union Bank mit fünfzig Mille in der Kreide stand. Ein Direktor der BLLC Holdings, die eben jener Firma noch drei Tage zuvor fünfzig Mille geliehen hat. Und Arnold, der die Interessen der Third Union vertrat. Alle kennen sich; alle miteinander verwandt. Und das Verrückteste ist, ich bin mir ziemlich sicher, dass keiner in der Branche das weiß. Arnold hat es nie erwähnt. Bei Carter Spink war es nicht bekannt. Und auch in keinem Pressebericht taucht es auf. Arnold hat alles schön unter dem Teppich gehalten.
Ich reibe mir die Augen, versuche meine verwirrten Gedanken zu ordnen. Stellt das nicht einen potentiellen Interessenskonflikt dar? Hätte er diese Verbindungen nicht von Anfang an offen legen müssen? Wieso um alles in der Welt sollte Arnold so wichtige Informationen zurückhalten? Außer -
Nein.
Nein. Unmöglich.
Er kann doch unmöglich -
Ich reiße die Augen auf, leicht benommen, als wäre ich plötzlich in tiefes Wasser geraten und hätte keinen Boden mehr unter den Füßen. Meine Gedanken rasen voraus, stolpern über alle Möglichkeiten, nur um sofort wieder davor zurückzuschrecken.
Hat Arnold etwas entdeckt? Oder verbirgt er etwas?
Ist das vielleicht der Grund, warum er geht?
Ich stehe auf und raufe mir die Haare ... Das kann nicht wahr sein! Ich muss sofort mit diesem Unsinn aufhören. Schließlich geht es hier um Arnold. Arnold. Ich werde noch zu einem von diesen verrückten Verschwörungstheoretikern. Als Nächstes tippe ich noch »Aliens, Roswell, sie leben unter uns« ein.
Hastig hole ich mein Handy raus. Ich werde Arnold einfach schnell anrufen. Ihn zu seiner Pensionierung beglückwünschen. Dann werde ich vielleicht auch all diese verrückten Ideen wieder los, die in meinem Kopf rumspuken.
Ich brauche ungefähr sechs Anläufe, bis ich den Mut aufbringe, die Nummer zu wählen. Allein beim Gedanken, mit jemandem von Carter Spink zu reden - vor allem mit Arnold — wird mir leicht übel. Wieder und wieder kneife ich, bevor ich zu Ende gewählt habe, lege das Handy weg, als hätte ich gerade noch mal Glück gehabt.
Aber schließlich ringe ich mich doch dazu durch, die ganze Nummer zu wählen und in der Leitung zu
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