Goettin in Gummistiefeln
Stündchen in den Garten setzen, die Füße hochlegen ... und es ist egal. Ich stehe nicht mehr permanent unter Druck, ich habe nicht mehr diesen Dauerstress. Und das gefällt mir.« Ich nehme mir ein Glas, gieße mir Wasser ein, nehme einen tiefen Schluck und wische mir mit der Hand über den Mund. »Tut mir Leid, aber ich habe mich verändert. Ich habe jetzt Freunde. Ich kenne die Leute im Dorf. Es ist wie bei den Waltons.«
»Wie - die Waltons? Sind da etwa Kinder?« Sie scheint es kaum glauben zu wollen.
»Nein!«, stoße ich gereizt hervor. »Du verstehst überhaupt nichts! Es ist nur ... die Leute kümmern sich hier um einen. Vor kurzem zum Beispiel haben sie mich mit dieser unglaublichen Geburtstagsparty überrascht.«
Stille. Ich frage mich, ob ich vielleicht einen wunden Punkt berührt habe. Vielleicht hat sie jetzt ein schlechtes Gewissen ... vielleicht versteht sie ja endlich ...
»Höchst bizarr«, sagt sie forsch. »Du hattest doch schon vor zwei Monaten Geburtstag.«
»Ich weiß.« Ich seufze. »Hör zu, Mum, ich habe mich entschieden.« Vom Ofen kommt plötzlich ein Ping, und ich greife nach einem Ofenhandschuh. »Mutter, ich hab zu tun.«
»Samantha, dieses Gespräch ist noch nicht zu Ende!«, faucht sie mich an. »Wir sind noch nicht miteinander fertig.«
»Doch, sind wir! Okay?« Ich klappe das Handy zu und lege es schwer atmend auf den Tisch. Trotz allem habe ich ein wenig wackelige Knie. »Herzlichen Dank auch, Guy«, sage ich kurz angebunden. »Sonst noch so eine reizende Überraschung?«
»Samantha ...« Er breitet entschuldigend die Hände aus. »Ich wollte doch bloß zu dir durchdringen ...«
»Man braucht nicht >zu mir durchdringen<« Ich wende mich von ihm ab. »Und jetzt muss ich arbeiten. Das ist mein Job.«
Ich mache die Herdklappe auf, hole das Blech mit den Pastetchen raus und beginne, sie behutsam auf vorgewärmten Platten anzurichten.
»Ich werde helfen«, erbietet sich Guy und tritt näher.
»Du kannst nicht einfach so helfen.« Ich verdrehe die Augen.
»Sicher kann ich.« Zu meinem Erstaunen zieht er das Designerjackett aus und krempelt die Ärmel hoch. Dann bindet er sich eine mit Kirschen verzierte Schürze um. »Was soll ich machen?«
Ich muss kichern. Er sieht einfach urkomisch aus.
»Also gut.« Ich drücke ihm ein Tablett in die Hand. »Du kannst mir helfen, die Horsd‘ceuvres zu servieren.«
Mit Platten voller Waldpilztörtchen und warmen Brötchen machen wir uns auf den Weg ins Speisezimmer. Als wir den mit weißen Stoffbahnen überdachten Raum betreten, erstirbt abrupt das Stimmengewirr, und vierzehn gefärbte, mit Haarspray bekleisterte Haarschöpfe drehen sich uns zu. Trishs Gäste sitzen an der Tafel und nippen Champagner, alle in pastellfarbenen Kostümen. Ich komme mir vor, als wäre ich in eine Dulux-Farbpalette geraten.
»Und das ist Samantha!«, verkündet Trish mit hektischen rosa Wangen. »Sie kennen sicher alle Samantha, meine Haushälterin ... und Staranwältin!«
Zu meiner größten Verlegenheit bricht dezenter Applaus aus.
»Wir haben Sie in der Zeitung gesehen!«, sagt eine Frau in einem cremefarbenen Kostüm.
»Ich muss unbedingt mit Ihnen reden.« Eine Frau in Puderblau lehnt sich mit einem verschwörerischen Ausdruck vor. »Über meine Scheidung.«
Ich glaube, ich tue, als ob ich das nicht gehört habe.
»Das ist Guy. Er geht mir heute ein wenig zur Hand«, sage ich und beginne die Pilztörtchen zu verteilen.
»Und ebenfalls Partner bei Carter Spink«, fügt Trish stolz hinzu.
Ich kann sehen, wie die Damen beeindruckte Blicke wechseln. Ein ältere Frau am Ende des Tischs schaut Trish verwirrt an. »Sind denn alle Ihre Hilfskräfte Anwälte?«
»Nicht alle«, sagt Trish lässig und nimmt einen kräftigen Schluck Champagner. »Aber wissen Sie, wenn man einmal eine Haushälterin hatte, die an einer Eliteuni studiert hat, möchte man keine andere mehr.«
»Wo kriegen Sie die bloß her?«, erkundigt sich eine Rothaarige eifrig. »Gibt‘s da eine spezielle Agentur?«
»Heißt Oxbridge Hauspersonal«, erklärt Guy und legt ihr ein Pilztörtchen auf den Teller. »Äußerst wählerisch. Da wird man nur genommen, wenn man sein Examen mit Auszeichnung bestanden hat.«
»Ach du liebe Güte!« Die rothaarige Dame starrt Guy mit offenem Mund an.
»Ich dagegen habe in Harvard studiert«, fährt er fort. »Also bin ich natürlich bei Harvard Help. Unser Motto lautet: >Denn wozu hat man schließlich studiert.< Stimmt‘s nicht,
Weitere Kostenlose Bücher