Goettin in Gummistiefeln
Missverständnis.«
»Ein Missverständnis?« Er legt ungläubig die Stirn in Falten.
»Allerdings«, entgegne ich ein wenig schärfer als beabsichtigt. Dann lasse ich mich auf einen Stuhl sinken und massiere meine schmerzenden Bandscheiben. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie erschöpft ich bin. »Ich war auf der Flucht vor ... vor etwas Bestimmtem. Ich brauchte einen Platz zum Schlafen. Und die Geigers haben einfach angenommen, ich wäre die neue Haushälterin. Und am nächsten Morgen hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich dachte, einen Tag lang könnte ich es ja versuchen. Aber ich hatte nie vor, zu bleiben. Und ich werde natürlich auch kein Geld von den Geigers annehmen, falls Sie das denken.«
Stille. Schließlich blicke ich auf. Nathaniel lehnt an der Anrichte, die mächtigen Arme verschränkt. Seine Stirn ist nicht mehr ganz so tief gefurcht. Er greift in seinen Rucksack, holt eine Flasche Bier hervor und bietet sie mir an. Ich schüttle den Kopf.
»Wovor sind Sie davongerannt?«, will er wissen und öffnet mit einem Knacken die Bierflasche.
Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen. Ich kann nicht die ganze leidige Geschichte erzählen. Ich kann einfach nicht.
»Vor ... vor besonderen Umständen.« Ich blicke zu Boden.
Er nimmt einen Schluck Bier. »Eine schlechte Beziehung?«
Einen Moment lang weiß ich nicht, was ich sagen soll. Ich muss an all die Jahre denken, die ich Carter Spink geschenkt habe. All die Stunden, die ich in der Kanzlei geschuftet, mein ganzes Privatleben, das ich dafür geopfert habe. Alles zu Ende. In einem dreiminütigen Telefongespräch.
»Ja«, sage ich langsam. »Eine schlechte Beziehung.«
»Wie lange wart ihr zusammen?«
»Sieben Jahre.« Zu meinem Horror stelle ich fest, dass mir Tränen in den Augen stehen. Keine Ahnung, wo die so plötzlich herkommen. »Tut mir Leid.« Ich schlucke. »Es war ein ziemlich stressiger Tag.«
Nathaniel reißt ein Blatt Küchenpapier von der Rolle hinter sich ab und reicht es mir.
»Wenn es eine schlechte Beziehung war, dann sollten Sie froh sein, dass Sie da raus sind«, erklärt er ruhig. »Kein Zweck, weiter dran zu denken. Kein Zweck, zurückzuschauen.«
»Ja, Sie haben Recht.« Ich wische mir die Tränen ab. »Ja. Jetzt muss ich mir nur darüber klar werden, was ich mit meinem Leben anfange. Hier bleiben kann ich nicht.« Ich greife nach der Flasche Creme de Menthe, die eigentlich in das verunglückte Schokoladensouffle gehört hätte, gieße mir etwas davon in einen praktischerweise in Reichweite stehenden Eierbecher und nehme einen Schluck.
»Die Geigers sind schwer in Ordnung. Es gibt wahrhaftig schlechtere Arbeitgeber«, erklärt Nathaniel mit einem unmerklichen Schulterzucken.
»Stimmt.« Ich raffe mich zu einem kleinen Lächeln auf. »Leider kann ich nicht kochen.«
Er stellt sein Bier ab und wischt sich mit der Hand über den Mund. Seine Hände sehen sauber geschrubbt aus, aber um seine Nägel herum und in den Falten seiner wettergegerbten Haut sind noch Erdreste zu sehen.
»Ich könnte ja mal mit meiner Mum reden. Sie kann kochen. Sie könnte Ihnen die Basics beibringen.«
Erstaunt schaue ich ihn an. Macht er Witze? »Sie finden, ich sollte bleiben? Ich dachte, ich wäre eine Betrügerin.« Ich schüttle den Kopf und verziehe das Gesicht. Dieser Creme de Menthe ist scheußlich süß. »Nein, ich muss weg.«
»Ne Schande.« Er zuckt die Achseln. »Wäre schön gewesen, mal zur Abwechslung jemand dazuhaben, der Englisch sprechen kann. Und so tolle Sandwichs macht«, fügt er verschmitzt hinzu.
Ich muss ebenfalls schmunzeln. »Catering.«
»Ah. Hatte mich schon gewundert.«
Ein zögerliches Klopfen an der Tür lässt uns beide aufblicken.
»Samantha?« Es ist Trish, die leise und drängend durch die Tür spricht. »Hören Sie mich?«
»Ah ... ja?«, antworte ich mit leicht erstickter Stimme.
»Keine Angst, ich komme nicht rein. Ich will Sie ja nicht stören! Wahrscheinlich ist es gerade eine äußerst knifflige Phase.«
»So was in der Art...«
Ich fange Nathaniels Blick auf und muss mich einer jäh aufwallenden Heiterkeit erwehren.
»Ich wollte bloß fragen«, fährt Trish fort, »ob Sie zwischen den Gängen irgendeine Art von Sorbet servieren werden?«
Ich schaue Nathaniel an. Seine Schultern zucken vor Lachen. Auch ich kann ein Schnauben nicht unterdrücken. Verzweifelt presse ich die Hand auf den Mund, um nicht laut loszubrüllen.
»Samantha?«
»Äh ... nein«, stoße ich mit Mühe hervor. »Kein
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