Goettin in Gummistiefeln
Floskeln. Damit will Eddie wohl ordentlich Eindruck schinden. Meine Gesichtszüge mit aller Macht unter Kontrolle haltend, überfliege ich den Rest des Textes, ohne dass mir eine angemessene Reaktion darauf einfallen will.
»Also, ich weiß, das klingt ziemlich beängstigend«, sagt Eddie schließlich, mein Schweigen missdeutend. »Aber lassen Sie sich von all den langen Wörtern bloß nicht bange machen. Eigentlich ist es ganz einfach. Haben Sie schon einen Blick auf Ihr Gehalt geworfen?«
Mein Blick huscht zu der fett gedruckten Zahl, die unter der Überschrift »Wochengehalt« prangt. Es ist beinahe so viel, wie ich als Rechtsanwältin pro Stunde in Rechnung gestellt habe.
»Erscheint mir mehr als großzügig«, sage ich nach kurzer Pause. »Herzlichen Dank, Sir.«
»Gibt es irgendwas, das Sie nicht verstehen?« Er strahlt mich gutmütig an. »Immer heraus damit!«
Wo soll ich da bloß anfangen?
»Ah ... das da.« Ich deute auf Paragraph 7: Arbeitszeit. »Soll das heißen, ich habe das ganze Wochenende frei? Jedes Wochenende?«
»Aber natürlich«, antwortet Eddie, sichtlich überrascht. »Wir würden Ihnen doch nicht Ihre Wochenenden nehmen wollen! Außer, es gibt einen besonderen Anlass. In dem Falle würden wir Sie extra vergüten ... steht alles unter Paragraph 9 ...«
Ich höre nicht mehr hin. Jedes Wochenende frei. Ich kriege das gar nicht in meinen Kopf. Ich glaube, ich hatte kein freies Wochenende mehr, seit ich zwölf war.
»Toll. Einfach toll.« Ich blicke strahlend auf, ich kann einfach nicht anders. »Vielen, vielen Dank!«
»Haben Sie denn in Ihrer letzten Stelle nicht jedes Wochenende frei bekommen?« Eddie wirkt schockiert.
»Nein, eigentlich nicht«, antworte ich wahrheitsgemäß.
»Die scheinen ja die reinsten Sklaventreiber gewesen zu sein! Also, bei uns gibt es das nicht!« Er strahlt. »So, und jetzt lasse ich Sie kurz allein, damit Sie sich den Vertrag in aller Ruhe ansehen können, bevor Sie unterschreiben.«
»Eigentlich habe ich ihn schon so gut wie -« Ich unterbreche mich, weil Eddie vorwurfsvoll die Hand gehoben hat.
»Samantha, Samantha, Samantha«, sagt er in onkelhaftem Ton und schüttelt den Kopf. »Ich werde Ihnen jetzt einen guten Rat geben, den Sie sich für Ihr künftiges Leben merken sollten. Verträge immer gut durchlesen, bevor man was unterschreibt.«
Ich starre ihn einen Moment lang reglos an. Meine Nase juckt von der Anstrengung, ernst zu bleiben.
»Jawohl, Sir«, kriege ich schließlich heraus. »Ich werde versuchen, es mir zu merken.«
Sobald Eddie verschwunden ist, schaue ich wieder auf den Vertrag und verdrehe die Augen. Automatisch greife ich zum Bleistift und beginne, den Text zu korrigieren, hier etwas umzuformulieren, da etwas zu streichen, Anmerkungen an den Rand zu kritzeln.
Jäh halte ich inne.
Was zum Teufel mache ich da eigentlich?
Hastig schnappe ich mir einen Radiergummi und radiere alles wieder aus, was ich dazugeschrieben habe. Dann nehme ich einen Kuli zur Hand und gehe zum Ende des Texts, wo eine Cartoon-Eule in Anwaltsrobe auf eine gestrichelte Linie zeigt.
Name: Samantha Sweeting
Beruf:
Ich zögere und füge dann » Haushaltskraft « hinzu.
Ein Gefühl der Unwirklichkeit erfasst mich, während ich die Worte niederschreibe. Ich mache es tatsächlich. Ich nehme diese Stellung an - weit, weit weg von meinem alten Leben. Und keiner weiß, was ich tue.
Auf einmal sehe ich Mutter vor mir, ihr Gesicht, wenn sie wüsste, wo ich im Moment bin ... wenn sie mich in meiner Dienstmädchentracht sehen könnte ... Sie würde ausflippen. Fast bin ich versucht, sie anzurufen und ihr zu erzählen, was ich mache.
Aber das werde ich nicht. Ich habe gar keine Zeit, groß darüber nachzudenken. Ich muss große Wäsche machen.
Ich muss zweimal laufen, bis ich den ganzen Wäscheberg endlich in der Waschküche habe. Der Inhalt der überquellenden Körbe landet erst mal auf dem gefliesten Fußboden, bevor ich mich der Hightech-Waschmaschine zuwende. Sollte eigentlich ein Kinderspiel sein.
Obwohl ich mich auf diesem Gebiet nicht gerade gut auskenne. Oder überhaupt auskenne. Ich habe immer alles, bis auf die Unterwäsche, in die Reinigung gegeben. Was aber nicht heißen soll, dass ich es nicht kann. Ich muss nur meinen Grips anstrengen. Versuchsweise öffne ich die Waschmaschinentrommel, und sofort fängt das Display hektisch zu blinken an: WASCHEN? WASCHEN?
Ich bin sofort verunsichert. Natürlich waschen, hätte ich am liebsten gerufen. Lass mir
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