Goettinnensturz
noch seltsam warme Luft mit.
Inspektor Kain drückte die Tür mit dem Rücken zu. Dicke schwere Regentropfen knallten gegen die Scheiben. Er nahm seine Dienstkappe ab und wischte sich übers Gesicht.
»Schau, wer da kommt, Max. Dem kannst gleich …« Berenike schob Max Kanne und das Tasse hin.
»Danke.«
Da schau her, dachte Berenike. Seine Hand zitterte, als er nach der Kanne griff. Das mochte allerdings täuschen in dem seltsamen Dämmerlicht. Berenike drehte die Beleuchtung stärker auf.
»Griaß di, Fräulein Berenike.«
»Servus, Herr Inspektor.« Als Berenike neu im Ausseerland gewesen war, hatte Kain sie so angesprochen, sie ihn als Herr Inspektor. Mittlerweile waren sie zum Du übergangen, aber beim ›Fräulein‹ und dem ›Inspektor‹ als Anrede geblieben.
»Na, was gibt’s Neues? Magst was trinken bei dem Sauwetter?«
»Keine Zeit. Ist der Jonas vielleicht da?«
»Nein, der wollte in die Gerichtsmedizin – das weißt du doch!«
»Ich erreich ihn nämlich nicht.« Inspektor Kain rieb sich die Hände, trat näher an sie heran, sah sich nach allen Seiten um. Ein paar Gäste, die neben Max an der Theke lehnten, rückten neugierig näher. Nur Max zog sich einige Schritte zurück und führte betont lässig die Teetasse an die Lippen.
»Was ist denn? Red schon!« Jetzt zitterten ihr selbst die Hände.
»Es gibt noch ein Unglück. Einen zweiten Toten. In der Traun. Bei der alten Mühle. Unten in Bad Aussee, woaßt eh. Und diesmal handelt es sich auf keinen Fall um einen natürlichen Tod.«
»Wieso diesmal? Jonas hat doch …«
»Jaja, ich weiß«, machte Kain ungeduldig. »Wir werden sehen. Diesmal kann sich der Tote das rot karierte Hemd nicht von selbst um seinen Hals gewunden und verknotet haben. Das weiß sogar ich. Der Mann wurde erdrosselt. Und weil Jonas wohl verletzt ist …«
»Was?!«
»Hat er dich nicht angerufen? Ich dachte, er ist zu dir.«
»Nein!« Sie griff sich an die Kehle und spürte, wie ihr Herz flatterte. »Was … was ist geschehen?«
»Wird schon nicht so schlimm sein. Ich wollt nur«, Kain stockte, »ihn informieren, den Herrn Ermittlungsleiter.« Das Letzte kam spöttisch.
»Hör auf, Franz!«, rief Berenike. Ihre Stimme hallte wie ein böses Echo im Salon nach. Alle waren verstummt. Sämtliche Gesichter waren ihnen zugewandt. Es war mucksmäuschenstill. Nur Max spielte mit seiner Teetasse, starrte auf die braune Flüssigkeit und rührte mit dem Löffel darin, immer und immer wieder.
»Sag mir sofort, wo Jonas ist!«, befahl Berenike mit einer Stimme, die ihr selbst fremd vorkam, wie tot. »Er wollte zum Gerichtsmediziner, nach Ischl.«
»Dort war er ja. Dann hat jemand den Polizeinotruf angerufen und mitgeteilt, dass eine Person mit Schusswaffe durchs Ischler Zentrum läuft. Also wurde Jonas informiert. Ich bin hin, es hat geheißen, die Sache könnte mit dem Mord zusammenhängen.«
»Wieso?«
»Das, Berenike, musst du schon Jonas fragen.«
»Geh, Franz! Bitte, wo ist er denn jetzt, fix noch einmal? Du musst das wissen, Franz!«
»Ich weiß es aber nicht! Eine Zeit lang hatten wir den Verdächtigen fast eingeholt. Dann wurden wir getrennt, der Mann schoss auf Jonas und entkam.«
»Wer war es?«
»Es war nicht zu erkennen. Er war zu weit weg, hat sich vermummt. Er trug ein rot kariertes Hemd, mehr habe ich nicht gesehen.«
»Oh. Ist das … dann der Mörder? Der zweifache Mörder?«
»Berenike, woher soll ich das wissen? Bin ich Hellseher?« Kain zuckte ungeduldig die Achseln. Er spuckte beim Reden, das war Berenike neu. »Erschossen wurde bisher noch keiner.«
»Und wo kann Jonas nun sein?«
»In der Notaufnahme vom Krankenhaus ist er jedenfalls nicht. Und bei einem der Ärzte hier auch nicht.«
Das Letzte hörte Berenike nur mehr mit halbem Ohr, weil sie schon fast aus der Tür war.
MÖRDERISCHES LOGBUCH – EINTRAG 2
Und dann tun sich Dinge auf, die hättest du nie für möglich gehalten. Du kannst es nicht glauben. Willst hoffen, dass jetzt, endlich, alles gut werden könnte. Traust der Hoffnung gleichzeitig nicht übern Weg …
Sie sitzen im Wirtshaus, Tag für Tag, Stammtisch, Feuerwehr, Bergrettung. Die Musik dudelt den immer gleichen 80er-Jahre-Verschnitt, als wär seit Cyndi Lauper kein Tag vergangen. Dazu essen sie ihre fetten Kasnocken, das Gesicht aufgedunsen vom Zirbenschnaps, vom Bier sowieso. Nur du scheinst zu sehen, was zusammenpasst – und was nicht. Die verschwitzten Stutzen zum Beispiel, die schlagen sich mit der adretten
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