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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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mehrere Stunden lang mit Lobpreisungen meiner Tochter unterhalten. So eine Gelegenheit lasse ich mir nie entgehen.«
    Laut lachte er auf, klopfte Laurenz und Carla auf die Schultern und umarmte sie schließlich beide, als wären sie gleichermaßen seine Kinder. »Vielleicht bilde ich mir das alles nur ein, und über all den Geschichten von meiner eigenen Tochter habe ich die seinen gar nicht wahrgenommen. Nie im Leben würde ein Mann wie Gernot Fischart eine so schöne und kluge Tochter wie Euch verschweigen. Doch genug der alten Geschichten. Übermittelt Eurem verehrten Herrn Vater meine allerbesten Grüße. Ich danke Euch schon jetzt dafür.«
    Tief verneigte er sich vor Agnes, nickte Caspar zu und tätschelte Laurenz die Schulter, bevor er Carla am Arm zupfte, um sie ebenfalls zum Abschied zu bewegen.
    »Ich wusste gar nicht, wie bekannt Gernot Fischart hier in Marienburg ist«, bemerkte Agnes verwundert und sah den beiden nach, wie sie Richtung Marktplatz verschwanden. Vor dem teilweise zerstörten Rathaus bogen sie nach rechts in eine Gasse, die zum Flussufer führte. »Nach Johann Telpin ist Meister Jagusch schon der Zweite, der sich so trefflich an ihn erinnert.«

10
    C aspar und Laurenz standen schweigend neben Agnes und sahen Meister Jagusch und Carla ebenfalls hinterher. Der Vorplatz der Johanneskirche hatte sich geleert. Die meisten Marienburger waren bereits zum sonntäglichen Mittagsmahl nach Hause gegangen. Wenige fremde Kaufleute und Reisende sowie einige Knechte und Mägde hielten sich noch auf dem Kirchplatz auf. Eine Handvoll böhmischer Söldner strebte einer Gasse ostwärts zu. Kurz stoppten sie an der Ecke, wo eine Garküche Suppe und Gesottenes feilbot. In der Hoffnung, einige Stücke von ihrem Abfall zu ergattern, preschten zwei streunende Hunde in die Ecke. »Fort mit euch!« Einer der Söldner trat mit dem Fuß gegen die Tiere. Aufjaulend trollten sie sich, um nur wenige Schritte entfernt mit eingezogenen Köpfen und Schwänzen zu lauern, bis die Söldner weitergingen und die Reste ihres Mahls achtlos auf den Boden warfen.
    »Ist es nicht ein seltsamer Zufall: Ihr seid also der Sohn von Gernot Fischart«, begann Laurenz zögernd, als sowohl Meister Jagusch samt Tochter wie auch die Söldner endgültig aus ihrem Blickfeld verschwunden waren. Nachdenklich verschränkte er die Arme vor der Brust, legte den rechten Zeigefinger an den Nasenflügel und musterte seine Fußspitzen, bevor er wieder den Kopf hob und weitersprach: »Wie oft hat meine Muhme Borten und Bänder für Eure verehrte Frau Mutter gefertigt, die ich in Euer Haus gebracht habe. Nie aber sind wir uns begegnet.« Er stockte, schüttelte ungläubig den Kopf. »Was heißt ›Eure Mutter‹ … Wenn Ihr tatsächlich Agnes’ verschwundener Bruder seid, woran ihr beide wohl am wenigsten zweifelt, dann kann die Fischartin gar nicht Eure Mutter sein.«
    »Das dürft Ihr nicht sagen!«, fuhr Caspar auf, doch Laurenz bedeutete ihm, sich zu beruhigen, was er erstaunlicherweise auch tat.
    »Dafür aber ist Gernot Fischart Euer gemeinsamer Vater. Agnes, ich glaube, du musst mir noch ein paar Dinge verraten, bevor ich das alles begreife.«
    »Und mir musst du unbedingt verraten, wieso du ausgerechnet ihn für denjenigen hältst, der uns helfen kann, wo er doch noch weniger als wir selbst von der Geschichte weiß.«
    Abermals wurde Caspar nur für einen Moment laut. Sein kurzer Blick zu Laurenz bestätigte Agnes die Vermutung, er wollte vor ihm nicht unbeherrscht wirken. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, musterte er Laurenz genau. »Oder wisst Ihr, warum Agnes denkt, Ihr allein könntet uns helfen?«
    »Weil er der Sohn der Hebamme unserer Mutter ist!«, platzte Agnes dazwischen.
    »Aber die Hundskötterin hat doch gar nicht …? Wieso soll das …? Dann wäre die Streicherin also die Schwester von einer …? Nein, unmöglich kann sie mit der Hundskötterin …« Kaum brachte Caspar einen vernünftigen Satz zusammen, so sehr wühlte ihn diese Behauptung auf. Wieder und wieder schüttelte er den Kopf, ließ die Zungenspitze zwischen den Lippen hervorblitzen.
    »Ja, die Streicherin
ist
die Schwester einer Hebamme«, erwiderte Agnes, »allerdings nicht die der Hundskötterin. Mit der hat sie gar nichts zu tun. Es geht um die Hebamme
unserer
Mutter. Das ist Gerda Selege gewesen, weil Gunda Kelletat unsere leibliche Mutter ist. Erinnere dich, was Gunda letztens erzählt hat. Ihr hat Laurenz’ Mutter bei der Niederkunft beigestanden.

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