GOLDENES FEUER DER WUESTE
hielt. Sie war zu spät dran, und das war völlig untypisch für sie. So untypisch, dass er sich schon beunruhigt zu fragen begann, ob ihr womöglich irgendetwas über den bösen Fluch zu Ohren gekommen war, der auf ihm lastete.
Als sie wenig später herbeigeeilt kam, mit gerafftem Rock und geröteten Wangen, atmete er auf.
„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber ich habe mich wieder einmal verlaufen“, sagte sie atemlos und sichtlich verlegen. „Ich bin zweimal falsch abgebogen.“
„Halb so schlimm“, beruhigte er sie. „Du bist die neue Königin. Du kannst machen, was du willst.“
„Auf gar keinen Fall. Ich achte immer auf Pünktlichkeit.“ Sie nickte so nachdrücklich, dass die silberblonden Strähnen hüpften, die ihr Gesicht einrahmten.
So hatte Zayed sie noch nie gesehen. Sie trug das Haar zurückgekämmt und vorn leicht toupiert, sodass sich die Haarpracht wie eine goldene Krone über der Stirn erhob. Im Nacken war ihr Haar zu einem eleganten Knoten frisiert, während einzelne Strähnen das Gesicht umspielten.
Eine Prinzessinnenfrisur, die wahrscheinlich Manar mit ihren geschickten Fingern gezaubert hatte. Sophie sah in ihrem schimmernden türkisfarbenen Abendkleid, mit ihrer hellen, fast durchscheinenden Haut aus wie eine Meeresgöttin.
„Du bist wunderschön“, sagte Zayed aufrichtig. Es war, als ob sie eben aus dem Schatten ins Licht getreten wäre.
„Danke.“ Sie lächelte verlegen.
Als er ihren Blick auffing, sah er, dass ihre Augenfarbe faszinierend mit der Farbe ihres Kleides korrespondierte. Blaugrün. Plötzlich wurde er von Verlangen überschwemmt. Er wollte sie. Die Intensität seines Begehrens überraschte ihn. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal eine Frau so sehr begehrt hatte. Vielleicht nach Prinzessin Ayla nie wieder.
In diesem Moment ertönte hinter ihm eine tiefe männliche Stimme. „Willst du mich nicht vorstellen, Zayed?“ Er drehte sich um, erleichtert, weil ihn das Auftauchen seines jüngeren Bruders Khalid daran hinderte, in alten Wunden zu stochern.
Khalid trug ebenso wie Zayed die traditionelle Landestracht, eine Robe in Elfenbein und Gold, nur auf die dazugehörige Kopfbedeckung hatten beide verzichtet. Doch obwohl Zayed jetzt Sophie und Khalid miteinander bekanntmachte, musste er immer noch an Prinzessin Ayla denken.
Aber das war nichts Neues für ihn. Seine Schuld begleitete ihn auf Schritt und Tritt und raubte ihm alle Lebensfreude.
Andererseits weigerte er sich ja auch zu vergessen. Er konnte und durfte es nicht. Das war er Ayla schuldig. Und so durchlebte er auch jetzt wieder in Gedanken den schrecklichen Tag, an dem er von Prinzessin Aylas Tod erfahren hatte.
Er war nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen, als er blind vor Wut durch den Palast gewütet war, wobei er kostbare Vasen von Anrichten gefegt und zu Boden geschleudert hatte. Dabei hatte er gebrüllt wie ein verwundeter Stier. Er hatte seinen Zorn und seine Trauer laut herausgeschrien und immer wieder betont, dass Ayla unschuldig war, dass er Gerechtigkeit forderte. Sein Vater, seine Brüder und die erschrockenen Dienstboten hatten ihn nur mühsam davon abhalten können, Aylas Ehemann zur Rechenschaft zu ziehen. Zayeds Rachedurst war so groß gewesen, dass sich seine Familie keinen anderen Rat gewusst hatte, als ihn monatelang im Palast einzusperren, bis er sich wieder beruhigt hatte. Dabei war der Junge in ihm gestorben, der Junge, der Ayla verehrt und geliebt hatte. Übrig geblieben war der Mann, hart, stark, schön, aber gebrochen und innerlich leer. Ein Mann, der alles und nichts hatte, ein Mann, der verflucht war und seine ganze Familie ins Unglück stürzte.
Zuerst hatte es seine Schwestern getroffen.
Dann seinen Vater.
Und jetzt Sharif.
Wann würde diese Tragödie enden? Wann würde aus dem Schlechten endlich etwas Gutes erwachsen?
Khalid unterhielt sich angeregt mit Sophie. Sein Bruder und Sophie verstanden sich offenbar auf Anhieb, was möglicherweise damit zu tun hatte, dass sie beide Wissenschaftler waren, wenn auch in unterschiedlichen Disziplinen. Khalid interessierte sich für Geschichte und Archäologie.
Als man Zayed signalisierte, dass es Zeit wurde, das Bankett zu eröffnen, verabschiedete sich Khalid, um sich zu Jesslyn und den Kindern zu setzen. Die Festbeleuchtung wurde atmosphärischer, während das Orchester mit einem Tusch das künftige Königspaar ankündigte.
„Bereit?“, fragte Zayed mit Blick auf Sophie. Er sah eine Frau, die ein
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