Goldfalke (German Edition)
zwar, aber Licht. Das konnte bedeuten, dass da unten jemand war.
Oder e twas.
Ein e verwirrende Mischung aus freudiger Erwartung und zaudernder Furcht überfiel Kiana. Es gab nur eine Möglichkeit, herauszufinden, was da unten auf sie wartete.
Ihr Blick fiel nach draußen auf den Meerhengst, der gelangweilt, wie es schien, neben dem Eingang stand. Das große, schwarze, schillernde Tier war für jeden schon von weitem zu sehen und würde womöglich unwillkommene Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „Geh zurück ins Tal der Dschinns und warte dort!“, sagte sie zu ihm.
Sie hätte schwören können, dass das Schnauben, das der Meerhengst ausstieß, bevor er sich bereitwillig auflöste, ein Ausdruck tiefster Erleichterung war.
„Aber erscheine wieder, falls ich dich brauche!“, rief sie ihm eilig hinterher. „Ich denke dann ganz fest an dich, und du tauchst auf, in Ordnung?“ Hoffentlich hatte er das noch mitbekommen!
Ein kurzer Gedanke befahl dem Falken, weite rhin in der Höhe zu kreisen und bei Bedarf vor anrückenden Feinden zu warnen. Dann ließ Kiana ihre Tasche auf der obersten Stufe zurück und stieg die Treppe hinunter.
Schon nach der ersten Biegung verlor sich der Sonne nschein, der durch den Eingang fiel. Da sich Kianas dauergeblendete Augen nur langsam mit dem Dämmerlicht abfanden, konnte sie die Treppenstufen mehr erahnen als erkennen. Wenigstens fühlte es sich fast schon angenehm kühl an in diesem Kellerschacht.
Ihre Hände tasteten sich an der rauen Wand entlang. Woraus diese und die Stufen bestanden, konnte Kiana nicht sagen. Aus einem sehr harten Baustoff ohne Zweifel, doch es war weder Stein noch Beton, Lehm schon gar nicht. Es war etwas … anderes. Metallisch irgendwie.
Als Kiana weiter nach unten stieg, nahm auf einmal das Licht wieder zu , bis es ihr aus einer Fackel entgegenflackerte, die in einer eisernen Wandhalterung steckte.
Noch w eiter unten wurden die Fackeln zahlreicher. Die Stufen verbreiterten sich zu einem Treppenabsatz, von dem aus es weiter in die Tiefe ging. Doch zuvor war da rechter Hand eine Tür. Sie war verriegelt, aber der Schlüssel steckte im Schloss. Langsam, ganz langsam, um bloß keinen Laut zu verursachen, drehte Kiana den Schlüssel und drückte die Türklinke nach unten.
Das Raum dahinter war völlig leer, bis auf eine weitere Wandfackel und die Gestalt, die aufkeuchend herumfuhr und Kiana mit geweiteten Pupillen anstarrte: ein Mädchen, etwa in Kianas Alter. Nur viel, viel schöner. Wie eine Prinzessin sah sie aus. Ihre Gesichtszüge verkörperten edle Zartheit, ihr weißes Kleid schmiegte sich fließend um die schlanke Figur und ihr tiefschwarzes Haar glänzte mit ihrem reichlichen Goldschmuck um die Wette. Ängstlich wich das Mädchen zurück.
Kiana hob die Hände. „Friede sei mit dir! Verzeih, wenn ich dich erschreckt habe! Ich will dir nichts tun.“
„W er bist du?“, hauchte das Mädchen. „Und wo kommst du her?“
Wenn Kiana irgendetwas von ihr in Erfahrung bringen wollte, war ein gewisses Maß an Offenheit nötig. „Ich heiße Kiana und bin auf der Suche nach jemandem und komme von … oben.“
„ Von oben?“ Die Prinzessin trat einen scheuen Schritt auf Kiana zu. „Der Löwen-Sultan hält mich schon so lange hier gefangen, dass ich gar nicht mehr weiß, wie sich die Sonne anfühlt. Nimmst du mich mit dir mit?“ Flehentlich streckte sie ihre Hände aus. „Oh bitte, lass mich nicht hier allein zurück!“
Zuerst wurde Kiana von einer Welle des Zorns erfasst, weil Damon ein so zartes, freundliches Mädchen in einem derart düsteren, kahlen Kerker gefangen hielt. Einen Augenblick später begann Kianas Herz zu klopfen, als ihr dämmerte: „Damon hält hier seine Gefangenen fest?“
Das zögernde „Ja“ des Mädchens wirkte misstrauisch.
„ Ist unter ihnen eine Frau, die Elina heißt?“
Das Mädchen bejahte erneut.
Kiana fing an zu zittern, vor Aufregung, vor Hoffnung, vor Angst, vor ... allem, als die nächste drängende Frage aus ihr hervorbrach: „Kannst du mich zu ihr führen? Wenn du das tust, helfe ich dir, aus diesem Gefängnis zu fliehen.“
„Komm mit!“, flüsterte die Prinzessin, huschte anmutig an Kiana vorbei hinaus auf die Treppe und eilte die Stufen hinunter. So schnell, dass Kiana sich anstrengen musste, um ihr hinterher zu kommen. Bis das schöne Mädchen zur Seite sprang und Kiana fast über das gestolpert wäre, was dort kauerte. Und sich lauernd aufrichtete. Und die gemeinen spitzen Zähne bleckte.
„
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