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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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ihn zu erreichen. Das Haus wurde buchstäblich belagert, und es war unmöglich, per Telefon durchzukommen. Ich war vorher schon einmal hingefahren, um Verbindung aufzunehmen, aber ich habe es wieder aufgegeben.«
    »Warum waren Sie so daran interessiert, mit ihm zu sprechen?«
    »In erster Linie, weil Peter und seine Frau Winnie besorgt waren.«
    »Davon abgesehen.«
    Ich starrte sie an und fragte mich, woran sie wohl dachte. Glaubte sie, ich sei in ihn verliebt gewesen? »Sie haben Guy nie kennengelernt«, sagte ich und ließ es wie eine Feststellung klingen, nicht wie eine Frage.
    »Nein.« Ihr Gesicht zeigte keine Regung. Ihre Neugier war berufsbedingt und neigte zum Analytischen. Sicher, das war ihr Job, aber ich merkte, wie ich darum rang, Guys Anziehungskraft zu vermitteln.
    »Guy Malek war ein hinreißender Mann«, sagte ich mit brüchiger Stimme. Unerklärlicherweise wurde ich auf einmal von Kummer überschwemmt. In meinen Augen brannten Tränen. Ich spürte, wie der Kloß in meiner Kehle dicker wurde. Es kam mir merkwürdig vor, daß ich in Henrys Gegenwart nichts gefühlt hatte, aber gegenüber Betsy Bowers kalter Autorität mein ganzer unverarbeiteter Schmerz an die Oberfläche drang. Ich holte tief Luft und versuchte, meine Gefühle zu verbergen. Ich wich ihrem Blick aus, aber sie mußte meine Pein bemerkt haben, da sie aus dem Nichts ein Taschentuch herbeizauberte, das plötzlich vor meinen Augen auftauchte. Dankbar nahm ich es entgegen. Ich fühlte mich verletzlich und bloßgestellt.
    Aber ich erholte mich rasch. Ich verfüge über eine starke Selbstdisziplin, und so schaffte ich es, meine Gefühle wieder in den Griff zu bekommen. »Tut mir leid. Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte. Ich habe eigentlich nicht viel Trauer verspürt, seit ich von seinem Tod erfahren habe. Aber ich hätte wissen müssen, daß sie in mir steckt. Er war ein guter Kerl, und ich bin wirklich traurig darüber, daß er tot ist.«
    »Das kann ich verstehen«, meinte sie. »Möchten Sie ein Glas Wasser?«
    »Nein, schon gut«, sagte ich. »Es ist komisch — ich habe ihn im Grunde nur dreimal gesehen. Wir haben ein paarmal telefoniert, aber wir waren nicht dicke Freunde. Er wirkte jugendlich, eine junge Seele. Ich muß eine Schwäche für Männer haben, die nie richtig erwachsen werden. Ich hatte Donovan bereits die Rechnung gegeben und hielt meinen Auftrag für erledigt. Dann hat Guy mich am Samstag angerufen. Donovan hatte ihn telefonisch bedrängt herzukommen, damit sie über das Testament sprechen könnten. Ich persönlich war der Meinung, daß der Besuch keine so tolle Idee war, aber Guy war fest dazu entschlossen.«
    »Hat er gesagt, warum?«
    »Er wollte emotionale Schulden begleichen. Zu der Zeit, als er von zu Hause verschwunden ist, war er von Drogen völlig benebelt. Er hatte eine Menge Ärger gehabt und es sich mit fast jedem verdorben. Nachdem er sich in Marcella niedergelassen hatte, kam er zur Vernunft, aber er hatte eine Menge offene Rechnungen hinterlassen. Er sagte, er wolle seinen Frieden machen.«
    »Als Sie das letzte Mal mit ihm sprachen, hat er da Kontakte zu anderen Personen aus seiner Vergangenheit erwähnt?«
    »Nein. Ich weiß, daß er einen Brief erhalten hat — das hat Christie gestern abend erwähnt — , aber der ist am Montag gekommen, und Guy hat ihn mit keinem Wort erwähnt, als ich ihn sah. Soweit ich weiß, war weiter nichts. War der Brief wichtig?«
    »Wir möchten seinen Inhalt lieber nicht diskutieren, bevor wir das überprüft haben.«
    »Wer hat ihn denn geschrieben? Oder möchten Sie das lieber auch nicht diskutieren?«
    »Genau.«
    »War er mit der Maschine geschrieben?«
    »Warum fragen Sie?«
    »Wegen des Briefs an den Dispatch, der den ganzen Zirkus verursacht hat. Wenn die Zeitungen keinen Hinweis bekommen hätten, hätte kein Mensch gewußt, daß er wieder in der Stadt ist.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen. Wir werden der Sache nachgehen.«
    »Darf ich etwas zur Autopsie fragen?«
    »Dr. Yee ist noch nicht fertig. Lieutenant Robb ist jetzt dort. Wenn er wiederkommt, erfahren wir mehr.«
    »Was ist mit der Mordwaffe?«
    Ihre Miene wurde wieder ausdruckslos. Ich verschwendete meine Atemluft, aber irgendwie konnte ich es einfach nicht lassen. »Haben Sie einen Verdächtigen?«
    »Wir verfolgen mehrere Möglichkeiten. Wir untersuchen den Hintergrund mehrerer Personen, die mit der Familie zu tun haben. Außerdem prüfen wir die Alibis sämtlicher Beteiligten, um festzustellen,

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