Goldgrube
wenn er überhaupt noch geführt wurde. Im Moment erschien es mir aber als die schnellste Methode, eine vorläufige Klärung der Situation herbeizuführen. Da ich seine Führerscheinnummer nicht wußte, nahm ich mir ein ANI-Formular für verschiedene Anfragen und trug seinen vollständigen Namen und sein Geburtsdatum ein. Der automatische Namensindex würde entweder keine Eintragung unter den vorliegenden Daten aufweisen oder für Nachname, Vorname, Mittelinitial und Geburtsdatum eine Entsprechung finden. Sobald ich wieder im Büro war, würde ich das Formular nach Sacramento schicken. Mit etwas Glück bekam ich wenigstens seine postalische Adresse.
Da das Büro fast leer war, bat ich kurzerhand eine der Angestellten, den Namen über ihren Computer zu suchen.
Sie drehte sich um und schenkte mir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. »Sind Sie verrückt? Dafür könnte ich gefeuert werden«, fauchte sie. Sie drehte den Monitor auf seinem Gelenkfuß herum, damit ich nicht auf den Bildschirm spähen konnte.
»Ich bin Privatdetektivin«, sagte ich.
»Von mir aus können Sie der Papst sein. Sie müssen schon auf Nachricht aus Sacramento warten. Von mir erfahren Sie nichts.«
»Den Versuch war es wert«, sagte ich. Ich rang mir ein gewinnendes Lächeln ab, aber damit kam ich nicht weit.
»Sie haben vielleicht Nerven«, sagte sie. Sie drehte sich mit vorwurfsvollem Kopfschütteln zur Seite und begann ihren Schreibtisch aufzuräumen.
Soviel zu meinen Überredungskünsten.
4
Ich fuhr wieder ins Büro, tippte den Umschlag, stellte dem Staat einen Scheck aus und befestigte ihn an dem Formular, klebte außen eine Briefmarke auf und warf das Ganze in die Ablage für den Postausgang. Dann nahm ich den Telefonhörer ab und rief Darcy Pascoe an, die Sekretärin und Empfangsdame von der California Fidelity Insurance. Wir plauderten ein Weilchen über die alten Zeiten, und ich ließ mich über die neuesten Banalitäten informieren, bevor ich sie um das gleiche bat wie die Angestellte bei der Kfz-Zulassungsstelle. Versicherungen machen ständig Überprüfungen durch die Zulassungsstelle. Darcy war zwar eigentlich nicht zu Anfragen berechtigt, aber sie wußte so gut wie jeder andere, wie man die Vorschriften umging. Ich sagte: »Ich brauche lediglich eine Auskunft.«
»Bis wann?«
»Ich weiß nicht. Wie wär’s morgen in aller Frühe?«
»Wahrscheinlich schaffe ich das, aber es wird dich einiges kosten. Wie heißt dieser Knabe noch mal?«
Als ich nach Hause kam, brannte Licht in meiner Wohnung, aber Dietz war immer noch irgendwo unterwegs. Er hatte einen Koffer mitgebracht, den er neben das Sofa gestellt hatte. Ein rascher Blick in den Schrank brachte seinen aufgehängten Kleidersack zum Vorschein. Im unteren Badezimmer stand sein Waschbeutel auf dem Deckel der Toilettenspülung. Der Raum roch nach Seife, und ein feuchtes Handtuch hing über der Duschkabine. Ich ging wieder in die Küche und stellte das Radio an. Elvis sang gerade den Schlußrefrain von »Can’t Help Falling In Love«.
»Verschone mich«, sagte ich mißmutig und schaltete das Ding aus. Ich stieg die Wendeltreppe zum Dachgeschoß hinauf, wo ich meine Reeboks abstreifte und mich auf dem Bett ausstreckte. Ich starrte zum Oberlicht hinauf. Es war schon nach fünf Uhr, und die Dunkelheit war über uns gefallen wie eine Wolldecke, ein bleiernes, undurchdringliches Grau. Durch die Plexiglaskuppel konnte ich wegen der Bewölkung nicht einmal den Nachthimmel sehen. Ich war müde und hungrig und irgendwie nicht ganz auf der Höhe. Allein zu leben kann verwirrend sein. Einerseits sehnt man sich manchmal nach dem simplen Trost eines Gefährten: jemand, mit dem man seinen Tag besprechen kann, jemand, mit dem man eine Gehaltserhöhung oder eine Steuerrückzahlung feiern kann, jemand, der einen bemitleidet, wenn man erkältet im Bett liegt. Hat man sich allerdings erst mal ans Alleinsein gewöhnt (also daran, daß man machen kann, was man will), muß man sich andererseits fragen, warum man die Beschwernis einer Beziehung auf sich nehmen soll. Andere Menschen haben so viele hitzig verfochtene Ansichten, Eigenschaften und Macken, häufig einen schlechten Kunst- und Musikgeschmack, ganz zu schweigen von Stimmungsschwankungen, Eßgewohnheiten, Vorlieben, Hobbys, Allergien, emotionalen Fixierungen und Einstellungen, die in keiner Weise mit den korrekten, nämlich den eigenen, übereinstimmen. Natürlich dachte ich nicht ernsthaft in diesem Sinne an Robert Dietz, aber sowie er
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