Goldmond
Taverne befanden sich ein paar Ställe, dahinter begannen bereits die niedrigen Buschwälder und es war das hohe Gras der Savannen zu sehen. Nur in der Schänke brannte noch Licht, der Rest des Dorfes schlummerte bereits.
Der Musikant trat aus der Halbtür hinaus und atmete die warme Luft ein, die aus der Steppe Entarats heranwehte. Sie vertrieb den scharfen Geruch nach Schnaps aus Korabeeren und vergorenem kurimis, der sich mit dem Gestank nach Tierfellen und verschwitzten Körpern mischte, und dämpfte ein wenig das fröhliche Lachen, das Geschwätz und Gegröle der Dorfbewohner, die sich drinnen versammelt hatten. Das war hier, mitten in der Savanne von Entarat, nicht anders als in einer Kneipe in Bandothi oder in Kharisar.
Aus der offenstehenden oberen Türhälfte fiel ein wenig Licht in die Nacht. Langsam ging Ronan auf der staubigen Straße auf und ab. Er hatte den ganzen Abend gesungen und geschwatzt, nun war er müde. Sehnsüchtig warf er den bereits tief stehenden Zwillingsmonden und dem Silbermond darüber einen Blick zu. Er hätte Schlaf gebrauchen können; nicht nur dieser Abend zehrte an seiner Kraft. Doch würde seine Ruhe noch warten müssen, bis auch der letzte Gast des Schankwirts nach Hause getorkelt war.
Er versuchte zu überschlagen, wie lange es her war, dass er aus dem Tempel der Weisen aufgebrochen war. Ihm kam es lang vor, so lang wie ein halbes Leben.
Zwei Tage, nachdem Sanara und der Fürst der Elben den Tempel ohne ein Wort des Abschieds verlassen hatten, war auch Ronan gegangen. Freiwillig zwar, aber mit Bitterkeit im Herzen hatte er das Kloster verlassen; ebenfalls ohne ein Wort des Abschieds an seine Lehrer oder gar an seine Ehrwürdigkeit, den Abt Morotand.
Seither war er unterwegs. Anfänglich hatte er nicht gewusst, wohin er sich wenden sollte. Er hatte in Betracht gezogen, Sanara und Telarion zum Berg Seleriad zu folgen. Doch dann hatte er aus einiger Entfernung mit ansehen müssen, wie dieser verhasste Elb sie, die Ronan als die Seine betrachtete, in die Arme gezogen hatte und wie willig sie sich ihm hingab.
Zornig hatte er Königin Ireti in den Nebeln gesucht und ihr gesagt, was geschehen war. Es war ihm egal, ob er damit Sanara einer Frau auslieferte, die ihr bisher nichts Gutes gewollt hatte. Ronan war sich bewusst, dass er sich damit abwandte von Sanara, von dem, was bisher seine Lebensaufgabe gewesen war und von denen, die ihm eine Heimat gegeben hatten. Er war durch die Wälder fortgegangen. Weit fort vom Tempel, weit fort von den Heiligtümern der Ys und dem Schöpfergeist, der ihn von seiner geliebten Sanara getrennt hatte.
Einen Zehntag lang war er durch den dichten Wald von Dasthuku gewandert, immer südwärts. Ronan wollte nur fort von Seleriad und fort vom Tempel der Quelle. Schließlich hatte er den Lithon erreicht. Für ein Lied hatte ein Fährmann ihn über den Fluss gesetzt, und nun marschierte Ronan bereits seit einem Mondumlauf durch Entarat.
Immer weiter nach Süden. Er hatte kein Ziel, doch vage schwebte ihm vor, er, der Funken und Macht des Syth ebenso in sich trug wie die Kräfte der Ys, könnte vielleicht in Farokant und dem Heiligtum der Tiefe Aufnahme finden. Oder auch nur eine Zuflucht, bis seine verwundete Seele geheilt war.
Dass die Königin ihn darum gebeten hatte, zu ihr zu kommen, zählte dabei nicht – die südliche Richtung war so gut wie jede andere; sie führte ihn fort von allem, was ihm Schmerz bereitet hatte. Und so war er nichts weiter als ein einfacher Musikant, dernur floh, fort von denen, die ihn, wie er glaubte, verraten hatten. Die es ihm missgönnt hatten, mit der Auserwählten das Siegel zu finden. Die sich auf Seiten des Elbenfürsten geschlagen hatten, obwohl sie für die Gerechtigkeit hätten einstehen sollen.
Wie in diesem Dorf hatte Ronan sich überall auf seine Erzählkunst und das Singen alter Lieder verlassen, um Unterkunft und ein wenig Proviant zu erhalten, hatte hier wie überall für eine Mahlzeit gesungen, oder dort für eine Fahrt auf der Fähre über den Lithon oder einem Sitzplatz auf einem Heuwagen ein Märchen erzählt.
Manchmal, wenn er sich unter Menschenvolk wusste, das Elben verachtete, hatte er auch die Seele eines Verstorbenen durch die Nebel begleitet oder andere Dienste erwiesen, die mit seiner Gabe zusammenhingen, den Geistern der Toten zu befehlen. Es war wie damals, als er durch die Welt und alle Länder gereist war, um Sanara zu finden – die Seelenherrin, die stark genug war, das Siegel zu
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