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Golem XIV

Golem XIV

Titel: Golem XIV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ist… Doch um eine solche Ungeheuerlichkeit recht zu verstehen, müssen wir auf eine Reihe von Grundfragen zurückgreifen.
    Die Einsamkeit des Denkens von Acheropoulos hat nicht ihresgleichen in der Geschichte der Vernunft. Die Idee der Neuen Kosmogonie durchbricht – entgegen allem Anschein von Plagiathaftigkeit, wovon ich gesprochen habe – sowohl die Ordnungen jedweder Metaphysik als auch die einer jeden Methode der Naturwissenschaft. Die Empfindung, mit einem Plagiat zu tun zu haben, ist die Schuld des Lesers, seiner Unbeweglichkeit im Denken. Denn rein instinktiv meinen wir, daß die ganze materielle Welt scharf unter die folgende logische Dichotomie falle: entweder sei die Welt von einem Jemand erschaffen worden (dann nennen wir, auf dem Boden des Glaubens stehend, diesen Jemand – das Absolute, Gott, den bewirkenden Geist…), oder sie sei nicht von einem Jemand erschaffen worden: dies bedeutet dann eo ipso, wenn wir uns als Wissenschaftler mit der Welt beschäftigen, daß niemand sie geschaffen habe. Acheropoulos hat nun gesagt: Tertium datur. Die Welt ist nicht von einem Jemand erschaffen worden, und doch ist sie verfertigt worden; der Kosmos verfügt über Bewirker.
    Warum hatte Acheropoulos keinen Vorgänger? Sein Grundgedanke ist durchaus einfach, und es entspricht nicht der Wahrheit, daß er vor dem Entstehen solcher Disziplinen wie Spieltheorie oder wie Algebra der Konfliktstrukturen nicht ausgedrückt werden konnte. Der fundamentale Gedanke des Acheropoulos hätte sich noch in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts aussprechen lassen, und, wie es scheint, auch noch früher. Warum tat dies also niemand? Ich nehme an, deshalb, weil sich die Wissenschaft, während sie im Zuge von Befreiungsarbeiten das Joch des religiösen Dogmas abschüttelte, eine eigentümliche Begriffs-Allergie zuzog. Ursprünglich prallte die Wissenschaft mit der Religion zusammen, was die bekannten, oft gräßlichen Folgen zeitigte, deren sich die Kirchen bis heute ein wenig schämen, und dies, obwohl ihnen die Wissenschaft die einstigen Nachstellungen stillschweigend verziehen hat. Schließlich kam es zwischen der Religion und der Wissenschaft zu einem Zustand vorsichtiger Neutralität: sie bemühen sich, einander nicht in die Quere zu kommen. Im Effekt dieser ziemlich heiklen, ziemlich angespannten Koexistenz war die Wissenschaft mit Blindheit geschlagen, dies zeigte sich in dem Hinwegsehen über die Stelle, wo die Idee der Neuen Kosmogonie ruhte. Diese Idee ist eng mit dem Begriff der Intentionalität verknüpft, das heißt mit etwas, was für den Glauben an einen persönlichen Gott unentbehrlich ist, weil es den Grundstein dafür bildet. Laut Aussage der Religion hat ja Gott die Welt durch einen Akt des Willens und der Absicht erschaffen, das heißt – durch einen intentionalen Akt. Somit wertete die Wissenschaft diesen Begriff als verdächtig, sogar schlechtweg als verboten. Er wurde bei ihr zum Tabu. Auf dem Gelände der Wissenschaft durfte man sich darüber nicht einmal verplappern, so sehr fürchtete man sich davor, in die Todsünde irrationalistischer Abweichung zu verfallen. Diese Furcht hat den Wissenschaftlern nicht nur den Mund verklemmt, sondern auch das Gehirn.
    Beginnen wir nun gewissermaßen nochmals von vorn. Am Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts hatte das Rätsel des Silentium Universi gewissen Ruhm erlangt. Die weiteste Allgemeinheit interessierte sich dafür. Auf erste, einleitende Versuche, kosmische Signale zu empfangen (das waren Drakes Arbeiten in Green Bank), folgten die nächsten Projekte, die ebenso in der UdSSR wie in den Vereinigten Staaten verwirklicht wurden. Doch das Universum, obgleich behorcht mit den feinfühligsten elektromagnetischen Apparaten, wahrte beharrlich sein Schweigen, das lediglich von dem Rauschen und Knattern urkräftiger Entladungen der Sternenenergie erfüllt war. Der Kosmos offenbarte seine Leblosigkeit – in allen Schlünden zugleich. Die Abwesenheit von Signalen »der anderen« und dazu noch das Fehlen jeder Spur von ihren »sterntechnischen Arbeiten« wurden für die Wissenschaft zur Qual. Die Biologie entdeckte die natürlichen Bedingungen, die das Entstehen von Leben aus toter Materie begünstigen. Es gelang sogar, die Biogenese im Laboratorium herbeizuführen. Die Astronomie entdeckte die Häufigkeit der Planeten-Entstehung, es wurde unumstößlich festgestellt, daß Unmengen von Sternen über Planetenfamilien verfügen. So fanden sich also die

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