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Golem XIV

Golem XIV

Titel: Golem XIV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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dieser Zivilisationen auf den von uns beobachteten Kosmos auswirken könnte. Wenn also der eine oder andere Astrophysiker zu behaupten wagte, das Emissionsspektrum der Pulsars, die Energieverhältnisse der Quasars oder etwa gewisse Phänomene an den Galaxienkernen hingen mit der absichtsvollen Tätigkeit von Weltallbewohnern zusammen, dann wertete keine der ernsthaften Autoritäten eine solche Behauptung als wissenschaftlicher, sorgfältiger Untersuchung würdige Hypothese. Astrophysik und Kosmologie blieben taub für diese Problematik; in noch stärkerem Grad kennzeichnete solche Gleichgültigkeit die theoretische Physik. Dergestalt hielten sich die Wissenschaften an ein Schema etwa folgender Art: wenn wir den Mechanismus einer Uhr kennenlernen wollen, ist es nicht im mindesten von Belang, weder für den Bau des Uhrwerks noch für seine Kinematik, ob sich Bakterien im Räderwerk und an den Gewichten befinden. Bakterien können den Gang einer Uhr gewiß nicht beeinflussen! Gerade so hat man damals gemeint: Intelligenzwesen können sich nicht in den Gang des kosmischen Uhrwerks einmischen, also ist beim Untersuchen dieses Werks über ihre etwaige Anwesenheit darin völlig hinwegzusehen.
    Selbst wenn jemand von den Leuchten der damaligen Physik die Aussicht auf einen großen Umsturz in Kosmologie und Physik hätte gelten lassen, auf einen Umsturz im Zusammenhang mit dem Vorhandensein von Intelligenzwesen im Kosmos, dann lediglich unter folgender Bedingung: sofern kosmische Zivilisationen entdeckt würden, sofern wir ihre Signale empfingen und solcherart völlig neue Nachrichten über die Naturgesetze gewönnen, könnte es in der Tat auf solchem – aber nur auf solchem! – Wege zu ernstlichen Umgestaltungen im Schoße der irdischen Wissenschaft kommen. Daß jedoch die astrophysikalische Revolution ohne das Bestehen solcher Kontakte erfolgen könnte, ja – noch mehr! –, daß das Fehlen solcher Kontakte, die völlige Abwesenheit von Signalen und von Anzeichen sogenannter »Sterntechnik«, die größte Revolution in der Physik einleiten und unsere Ansichten über den Kosmos von Grund auf ändern sollte, das hat sich gewiß keine der damaligen Autoritäten auch nur träumen lassen.
    Und doch geschah es zu Lebzeiten so manches unter diesen bedeutenden Wissenschaftlern, daß Aristides Acheropoulos seine »Neue Kosmogonie« veröffentlichte.
    Sein Buch fiel mir in die Hände, als ich Doktorand der Mathematischen Fakultät einer Schweizer Universität war, in derselben Stadt, wo einst Albert Einstein als Angestellter des Patentamts gearbeitet hat, in der Freizeit damit beschäftigt, die Grundlagen der Relativitätstheorie zu schaffen. Jenes Büchlein konnte ich lesen, denn es war in englischer Übersetzung erschienen, ich füge hinzu: außergewöhnlich elend übersetzt; überdies war das ein Titel aus einer Science-fiction-Reihe eines Verlegers, der ausschließlich diese Art von Belletristik herausgab. Der Originaltext war hierbei fast um die Hälfte gekürzt worden, wie ich wesentlich später erfuhr. Sicher haben die Umstände um diese Ausgabe – worauf Acheropoulos keinen Einfluß hatte – die Meinung geprägt, er selbst hätte beim Schreiben der »Neuen Kosmogonie« die dort niedergelegten Thesen nicht ernst gemeint.
    Ich befürchte, daß heutzutage, in der Zeit der Hast und der Eintagsmode, außer dem Wissenschaftshistoriker und dem Bibliographen niemand die »Neue Kosmogonie« zur Hand nimmt. Der Gebildete kennt den Titel des Werks und hat von dem Autor gehört, das ist alles. Somit bringt ein solcher Mensch sich selbst um ein ungewöhnliches Erlebnis. Nicht allein der Inhalt der »Neuen Kosmogonie« ist mir lebendig im Gedächtnis verblieben, wie ich ihn vor einundzwanzig Jahren gelesen habe, sondern alle Gemütsbewegungen, die mit der Lektüre einhergingen. Das war eine ganz besondere Erfahrung. Von dem Augenblick an, da das Konzept des Autors erstmals in vollem Ausmaß erahnt wird und die Idee des palimpsestischen Spiels, das der Kosmos ist, und seiner unsichtbaren, einander stets fremden Spieler sich ernstlich im Geist des Lesers abzeichnet, wird er während des Lesens die Empfindung nicht mehr los, er habe mit etwas erleuchtend und erschütternd Neuem zu tun, und zugleich – dies sei die plagiathafte, in die Sprache der Naturwissenschaften übersetzte Wiederholung der ältesten Mythen, die den undurchdringlichen Untergrund der Menschheitsgeschichte bilden. Diese peinliche und sogar quälende Empfindung kommt

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