Golgrimms wundersame Welt (German Edition)
heftigste.
„Klar, Sir! N-n-natürlich, Sir!“
Dann stand Lord Sinclair wieder aufrecht und nickte kurz.
„Gut! Ansonsten kannst du eigentlich tun und lassen was du willst in diesem Haus! Abendessen gibt es um sechs!“
Mit diesen Worten warf der alte Lord mit einem lauten und Staub aufwirbelnden Knall die Türe zu und ließ Sarah allein mit Mister Barcley, ihrem Schmerz, ihrer Einsamkeit und dem Staub von Jahrhunderten.
Nach einer Weile begann das Mädchen ihre Tasche auszupacken, stetig begleitet vom leisen „Tick tack tick tack tick tack...“ der verschrobenen alten Uhr. Und sie dachte nach über die vergangenen Ereignisse. Ihre Eltern waren weg, ihr Heim war zerstört und nun saß sie fest in einem unheimlichen Geisterschloss mit einem seltsamen Vormund, der sie anscheinend nicht mal haben wollte.
Doch am seltsamsten war der Zettel mit dem krakeligen Abschiedsgruß ihrer Eltern, den sie gefunden hatte und welcher dann wie durch Magie in Flammen aufgegangen war und ihr Heim zerstört hatte.
Ihre Eltern waren entführt worden, soviel stand für Sarah fest! Aber von wem? Und warum? Und vor allem, wohin? Und woher konnte der alte Lord so schnell wissen, was vorgefallen war? Diese ganzen traurigen Ereignisse lagen nun erst einen Tag zurück, doch Lord Sinclair hatte bereits einige Stunden nach dem Brand mit dem Jugendamt telefoniert. Hatte er selbst etwas damit zu tun? Welche Rolle spielte dieser unfreundliche alte Mann in diesem riesigen, schier unlösbaren Puzzle?
Wieder und wieder durchzuckten diese Gedanken ihren Kopf wie die Blitze die schwarze kalte Nacht durchzuckten. Das kleine Mädchen sah hinab zu Mister Barcley. Er saß neben ihr auf dem Bett.
„Wir werden herausfinden, wer meine Eltern entführt hat und dann werden wir sie retten! Bist du dabei, Mister Barcley?“ fragte sie ihren Bären mit gestrenger Stimme. Der Teddy sah sie aus großen schwarzen Knopfaugen an und brummte zustimmend. Doch Sarah hatte keine Ahnung wo sie anfangen sollte. Sie hatte nicht die geringste Ahnung.
Das Mädchen hatte so viele Fragen und wusste nicht einmal richtig, wie sie die Antworten suchen sollte.
Schatten
in der Bibliothek
Das Abendessen fand in einem riesigen Zimmer im Erdgeschoss statt und wie auch die meisten Räumlichkeiten des Schlosses, die Sarah bereits gesehen hatte, war dieser Raum düster und unheimlich und überfüllt mit mittelalterlichen Accessoires.
Der Speisesaal war gesäumt von Staub, Spinnweben und uralten Ritterrüstungen mit Hellebarden in den eisernen Fäusten, welche das kleine Mädchen grimmig und bewegungslos anstarrten. Dicke hölzerne Balken stützten die breite gewölbte Decke und an den Wänden hingen gekreuzte Schwerter mit Schilden darüber. Ein mannshoher Kamin befand sich in der Mitte einer Wand, aus alten Steinen gefertigt, mit einem schweren gusseisernen Gitter davor. Hell und warm prasselte ein Feuer darin und verströmte auf diese Art zumindest ein wenig Gemütlichkeit.
Doch durch die staubigen Fenster hindurch erhellten immer wieder Blitze den Saal und krachendes Donnergrollen des nun direkt über dem Schloss tobenden Gewitters brachte die Glasscheiben zum erzittern und wandelten so die Atmosphäre zurück ins Unheimliche.
Der Esstisch in der Mitte des Saales war so lang wie ein Schulbus und erinnerte gleichzeitig an eine mittelalterliche Tafel, wo Ritter und Burgfräuleins vor hunderten von Jahren bereits gespeist hatten. Drei pompöse Kerzenleuchter standen auf ihm und beleuchteten weite Teile. Auf dem Tisch standen Brot und Käse und Wurst sowie Tee zum Verzehr bereit.
Den Weg von ihrem Zimmer zum Essenssaal hatte Sarah schon wieder vergessen. Dieses Schloss war wie ein Irrgarten!
Lord Sinclair saß an dem einen Ende des Tisches und Sarah saß ihm ungefähr fünfundzwanzig Meter entfernt gegenüber.
Mister Barcley hatte sich bereits im Zimmer hingelegt und träumte von einer netten Teddyfrau!
Sarah schaute zu ihrem Vormund hinüber und räusperte sich. Keine Reaktion. Das Mädchen räusperte sich lauter und der alte Mann schaute auf.
„Was willst du?“ fragte er griesgrämig.
„Verzeihung, Sir. Aber wie soll ich sie nennen?“ fragte Sarah leise.
„WAS HAST DU GESAGT?“ brüllte der Lord.
„WIE SOLL ICH SIE NENNEN, SIR?“ rief Sarah und lief rot an. Der riesige Saal verlieh ihren Stimmen einen tiefen Hall.
„Oh!“ entfuhr es dem alten Adligen. Sekunden verstrichen. Aus den Sekunden wurden Minuten. Und eben
Weitere Kostenlose Bücher