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Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra

Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra

Titel: Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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Büffelställe auszumisten wie die Inder. Schweine scheißen nur ein Viertel soviel, und verglichen mit Büffelställen sind Schweineställe geradezu winzig klein. Das wissen die Araber, und deshalb finden sie sich mit den Schweinen ab, um nicht im Büffelstall vor Erschöpfung zusammenzubrechen. Hassa fing an, sich Heroin zu spritzen. Regelmäßig fuhr er mit dem Zug nach Rom, deckte sich mit Stoff ein und kehrte dann in den Schweinestall zurück. Er wurde ein richtiger Junkie, sein Geld reichte nicht, daher empfahl ihm sein Pusher, in Mondragone mit dem Straßenverkauf von Drogen anzufangen. Und so begann er, vor der Bar Domizia zu dealen. Bald hatte er eine feste Kundschaft und verdiente in zehn Stunden soviel wie in sechs Monaten als Schweinehirte. Ein Anruf des Barbesitzers genügte, um dem Treiben ein Ende zu setzen. So macht man es hier immer. Man ruft einen Freund an, und der ruft seinen Cousin an, der wiederum seinem Kumpel davon erzählt; und der übermittelt die Nachricht an die richtige Adresse. Eine Kette, von der nur der Anfangs- und der Endpunkt bekannt sind. Schon ein paar Tage später suchten La Torres Leute Hassa zu Hause auf, die selbsternannte Drogenpolizei. Damit er sich nicht zwischen Schweinen und Büffeln verdrücken konnte und man ihn nicht durch Mist und Kotfladen verfolgen mußte, gaben sie sich als Polizisten aus und lockten ihn über die Gegensprechanlage aus seiner ärmlichen Behausung. Sie luden ihn ins Auto und fuhren los, aber nicht Richtung Kommissariat. Als Hassa Fakhry klar wurde, daß man ihn umbringen wollte, reagierte er wie ein schwerer Allergiker. Als hätte er vor lauter Angst einen anaphylaktischen Schock, begann sich sein Körper aufzublähen, als würde jemand gewaltsam Luft in ihn hineinpumpen. Selbst Augusto La Torre zeigte sich ganz bestürzt, als er vor Gericht von dieser Metamorphose berichtete. Die Augen des Ägypters wurden ganz klein, als würden sie form-lich in den Schädel gesogen, Schweiß, zähflüssig wie Honig, trat ihm aus den Poren und Schleim, dick wie gestockte Milch, aus dem Mund. Sie waren zu acht gekommen, um ihn zu töten. Aber nur sieben schossen. Der Kronzeuge Mario Sperlon-gano erklärte vor Gericht: »Es erschien mir völlig sinnlos und dumm, auf einen leblosen Körper zu schießen.« Aber so war es immer gewesen, Augusto war wie berauscht von seinem Namen, von der Symbolkraft seines Namens. Hinter ihm, hinter allem, was er tat, mußten geschlossen seine Legionäre stehen, die Legionäre der Camorra. Morde, für die ein, höchstens zwei Killer ausgereicht hätten, wurden von allen seinen Getreuen ausgeführt. Oft wurde jeder, der dabei war, aufgefordert, mindestens einen Schuß abzugehen, selbst wenn das Opfer längst tot war. Einer für alle und alle für einen. Seine Leute mußten mitmachen, selbst dann, wenn es völlig überflüssig war. Aus Angst, jemand könnte einen Rückzieher machen, beharrte Augusto stets darauf, daß die ganze Gruppe agierte. Immer bestand die Gefahr, daß ein Mitglied durchdrehte und glaubte, es könnte in Amsterdam, Aberdeen, London und Caracas auf eigene Faust Geschäfte machen. Hier erweist sich die Grausamkeit als das eigentliche Fundament des wirtschaftlichen Unternehmertums: auf sie zu verzichten bedeutet, alles zu verlieren. Nachdem man Hassa Fakhry niedergemetzelt hatte, stach man auf seinen toten Körper mit Insulinspritzen ein, wie sie Junkies verwenden. Eine Botschaft, die von Mondragone bis Formia jeder auf Anhieb verstand. Und der Boss behandelte alle gleich, ohne Ansehen der Person. Als La Torres Vertrauter Paolo Montano, genannt Zumpariello, zuständig für militärische Aktionen, anfing, sich Drogen zu spritzen, weil er von der Kokserei nicht loskam, bestellte ihn der Boss durch einen Freund zu einem Treffen in einem Gehöft. Ernesto Cornacchia sollte ein ganzes Magazin auf ihn abfeuern, aber er tat es nicht, aus Angst, den Boss zu treffen, der zu nah bei dem Opfer stand. Als Augusto sah, daß Cornacchia zögerte, zog er seine Pistole und erschoß Montano eigenhändig. Cornacchia wurde von einem Querschläger an der Hüfte getroffen. Er ließ sich lieber eine Kugel verpassen, als das Risiko einzugehen, den Boss zu verletzen. Auch Zumpariello wurde samt gezündeter Handgranate in einen Brunnen geworfen, »alla mondragonese«. Die Legionäre gehorchten Augusto in blindem Gehorsam. Selbst als sich der Boss der Justiz als Kronzeuge zur Verfügung stellte, folgten sie seinem Beispiel. Nach der Verhaftung

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