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Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra

Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra

Titel: Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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einfache Bündnispartner oder Mitglieder, sondern als gleichwertige Partner der Clans aus Corleone, einer der mächtigsten Gruppen innerhalb der Mafia. So viel Einfluß haben sie, daß die Sizilianer nach Aussagen des Kronzeugen Giovanni Brusca bei der Planung von Bombenattentaten in ganz Italien Ende der neunziger Jahre den Clan aus Marano um seine Meinung befragten und ihn um Mithilfe baten. Die Nuvoletta hielten die Idee, überall Bomben hochgehen zu lassen, für Wahnsinn und für eine Strategie, die zwar politische, aber keinerlei greifbare militärische Ergebnisse bringen würde. Sie lehnten eine Teilnahme ab und weigerten sich auch, logistische Hilfe zu leisten. Aus dieser Haltung erwuchs ihnen nicht der geringste Nachteil. Selbst Toto
    Riina, der capo dei capi, der Boss der Bosse in Sizilien, wandte sich an Angelo Nuvoletta mit der Bitte, bei seinem ersten großen Prozeß die Staatsanwälte zu bestechen, aber auch in diesem Fall kamen die Maranesen dem militärischen Flügel der Corleonesen nicht zu Hilfe. Während des Krieges, der nach dem Sieg über Cutolo innerhalb der Nuova Famiglia ausbrach, beauftragten die Nuvoletta den Mörder des sizilianischen Richters Falcone, Giovanni Brusca, den Boss von San Giovanni Jato, damit, in Kampanien fünf Menschen umzubringen und zwei in Säure aufzulösen. Sie beauftragten ihn, so wie man einen Installateur beauftragt. Der Täter selbst hat vor Gericht ausgesagt, wie er vorging, um Luigi und Vittorio Vastarella mit Säure umzubringen:
    Wir gaben Order, hundert Liter Salzsäure zu kaufen, außerdem Zweihundert-Liter-Behälter, wie sie normalerweise für die Aufbewahrung von Öl benutzt werden, sie sollten oben aufgeschnitten sein. Nach unserer Erfahrung mußte man in jedes Faß fünfzig Liter Säure schütten, und da die Beseitigung von zwei Personen vorgesehen war, brauchten wir zwei Fässer.
    Die Nuvoletta brachten zusammen mit zwei Clans aus der zweiten Reihe, den Nettuno und den Polverino, den Drogenhandel wieder in Schwung, und zwar dadurch, daß sie für das Geschäft mit Kokain richtiggehende Volksaktien ausgaben. Die Antimafia-Einheit Neapel hat 2004 nachgewiesen, daß der Clan über seine Vermittler praktisch jedermann am Geschäft mit Kokain teilnehmen ließ. Rentner, Angestellte und Kleinunternehmer gaben den Agenten Geld für den Ankauf von Drogen. Die Investition einer Rente von sechshundert Euro in Kokain brachte nach einem Monat das Doppelte. Außer dem Wort des Vermittlers gab es keine Garantie, aber die Anlage brachte regelmäßig Gewinn. Das Risiko, zu verlieren, stand in keinem Verhältnis zum möglichen Gewinn, vor allem verglichen mit dem, was herauskam, wenn die Summe bei einer regulären Bank angelegt worden wäre. Der einzige
    Nachteil war organisatorischer Natur, denn die Kokain-Päckchen wurden nicht selten bei den Kleinanlegern aufbewahrt, um große Lager zu vermeiden und Beschlagnahmungen praktisch unmöglich zu machen. Die Clans der Camorra konnten auf diese Weise ihr Investitionskapital enorm erhöhen und gewannen gleichzeitig die kleinen Leute für sich, die zwar nichts mit kriminellen Machenschaften zu tun haben wollten, es aber leid waren, ihr Geld den Banken anzuvertrauen. Auch der Verkauf der Drogen an die Endverbraucher nahm eine völlig neue Form an. Die Nuvoletta und die Polverino verwandelten Friseurläden und Sonnenstudios in Verkaufsstellen für Kokain. Die Gewinne aus dem Drogenhandel wurden dann über Strohmänner in den Kauf von Wohnungen, Hotels, Anteilen an Dienstleistungsunternehmen, Privatschulen und sogar in Kunstgalerien reinvestiert.
    Laut Anklage war Pietro Nocera der wichtigste Mann, wenn es um Kapitalinvestitionen ging. Als einer der mächtigsten Manager des Territoriums fuhr er selbstverständlich einen Ferrari und verfügte über ein Privatflugzeug. Im Jahr 2005 haben neapolitanische Richter die Beschlagnahmung von Immobilien und Firmen im Wert von über dreißig M illi onen Euro angeordnet; in Wirklichkeit nur fünf Prozent von Noce-ras Wirtschaftsimperium. Der Kronzeuge Salvatore Speranza sagte aus, daß Nocera das gesamte Vermögen der Nuvoletta verwalte und »die Investitionen der Organisation in Grundstücken und im Baubereich allgemein« koordiniere. Die Nuvoletta waren über das Unternehmen Enea, das Nocera ebenfalls aus dem Untergrund leitete, in der Emilia Romagna, in Venetien, den Marken und in Latium tätig. Da die Enea den Zuschlag für öffentliche Bauten in Bologna, Reggio Emilia, Modena, Venedig,

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