Gone 5: Angst (German Edition)
leicht.
Das Innere des Avatar, der seine Schwester war, war ein erstaunlich komplexes Gebilde aus Linien und Mustern, verworrenen Zeichen und Symbolen. Wie ein Labyrinth …
Er wich zurück. In ihr befand sich ein spannendes Spiel von unbeschreiblicher Komplexität.
Das war es also, was das Mädchen mit den gelben Haaren und den stechenden blauen Augen ausmachte. Es verschlug ihm den Atem. Oder hätte es getan, wenn er aus Fleisch und Blut gewesen wäre.
Er durfte mit diesen Spiralen und Mustern nicht spielen. Durfte sie nicht einmal anfassen. Er hatte bisher jeden Avatar, bei dem er es versucht hatte, in seine Bestandteile zerlegt. Diesen hier durfte er nicht zerbrechen.
Ich bin’s , sagte Pete.
Durch den Avatar lief ein Schauer. Die Muster zuckten unter der sachten Berührung, streckten sich nach ihm aus wie winzige Schlangen.
»Kannst du sie reparieren, Pete? Die FAYZ . Kannst du dafür sorgen, dass es aufhört?«
Er konnte ihre Stimme hören.
Wörter aus Licht.
Wörter die fragend zu ihm heraufschwebten.
Er überlegte. Konnte er es reparieren? Konnte er seine gewaltige und furchtbare Tat ungeschehen machen?
Er rief nach seiner Kraft, dem Ding, das es ihm ermöglicht hatte, diesen Ort zu schaffen. Aber da war nichts.
Sie war in meinem Körper , sagte er. Die Kraft .
»Du kannst es nicht beenden?«
Nein.
Nein, Astrid, das kann ich nicht.
Es tut mir leid.
»Kannst du uns das Licht wiederbringen?«
Er zog sich zurück. Ihre Fragen lösten in ihm ein schlechtes Gewissen aus.
»Nicht! Geh nicht weg!«, flehte sie.
Er erinnerte sich daran, wie sehr ihn ihre Stimme gequält hatte, als er noch der alte Pete war. Als er einen Körper hatte und ein Gehirn, das nicht richtig funktionierte und er alles als viel zu laut und viel zu grell empfand.
Er blieb bei ihr. Widerstand auch dem Drang, in den Avatar hineinzugreifen und ihm seine Trauer zu nehmen. Das durfte er nicht. Dafür waren seine Finger zu ungeschickt.
»Pete, was tut die Dunkelheit?«
Pete dachte nach. In letzter Zeit hatte er das Ding nicht mehr angesehen. Aber wenn er es wollte, konnte er es sehen, den grünen Schimmer und die Ranken, die sich wie die Tentakel eines hungrigen Kraken nach ihm ausstreckten.
Die Dunkelheit war schwach. Ihre Kraft, die sich über die gesamte Barriere erstreckte, schwand. Pete hatte sie benutzt, um die Barriere zu schaffen. Damals, als dieser schreckliche Lärm losging und alle Gesichter zu Grimassen wurden. Als in Petes Kopf Panik herrschte und er mit seiner Kraft die Dunkelheit zur Barriere ausgedehnt hatte.
Jetzt wurde sie schwächer. Bald würde sie aufbrechen und Risse bekommen.
Sie würde sterben.
»Die Dunkelheit, der Gaiaphage, stirbt er?«
Er will wiedergeboren werden.
»Pete, was passiert, wenn er wiedergeboren wird?«
Er wusste es nicht. Er hatte keine Worte dafür. Also öffnete er ihr seinen Verstand, zeigte Astrid Bilder von der riesigen Sphäre, die er geschaffen hatte, von der Barriere, die allen Regeln und Gesetzen widersprach, dieser aus dem Gaiaphage gemachten Hülle, die zum Ei für seine Wiedergeburt geworden war.
Jetzt schrie Schwester Astrid und hielt mit beiden Händen ihren Kopf fest. Er konnte es in ihrem Avatar sehen, ein komisches Schreien, Worte, die um ihn herum platzten und explodierten …
Er rückte von ihr ab.
Er tat ihr weh.
Er hatte es schon wieder getan. In seiner sagenhaften Dummheit und mit seinen tollpatschigen Fingern hatte er ihr wehgetan.
Ihr Avatar wirbelte davon wie eine Schneeflocke im Sturm.
Pete drehte sich um und rannte weg.
»Oh mein Gott, es kommt!«, schrie Diana.
Sie war in Schweiß gebadet und lag mit angewinkelten und gespreizten Beinen auf dem Rücken. Inzwischen fielen die Wehen im Minutentakt über sie her und hielten bereits so lange an, dass sie sich zwischen den Attacken nicht mehr erholen, sondern nur noch nach der heißen und nach Fäulnis stinkenden Luft schnappen konnte.
Um zu weinen, hatte sie keine Energie mehr. Ihr Körper hatte die Kontrolle übernommen. Er tat, was er erst in fünf Monaten tun sollte. Sie war nicht bereit. Das Baby auch nicht. Aber die enorme Größe ihres Bauchs sprach eine andere Sprache. Sie sagte, der Zeitpunkt war da.
Es würde ihr auch niemand helfen. Drake starrte sie in einer Mischung aus Horror und Faszination an. Penny verzog verächtlich den Mund. Sie griffen nicht ein, sie sagten auch nichts, denn es war völlig klar, dass der einzige andere im Raum, der Anspruch auf das Baby erhob, das
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