GOR-Zyklus 02 - Der Geächtete von Gor
Stück Brot zu. »Hier, iß«, sagte er.
»Danke«, erwiderte ich und begann zu kauen.
»Du wirst es lernen, dich wie die anderen nach dem Brot zu drängeln.«
Ehe wir in die Zelle gestoßen worden waren, hatten wir im Vorraum zu essen bekommen. Zwei Wärter ha t ten Brot und Zwiebeln in einen Eßtrog an der Wand geschüttet, und die Gefangenen hatten sich wie Tiere darauf gestürzt, hatten fluchend versucht, sich gege n seitig wegzudrängen, hatten hamstern und kämpfen wollen. Angewidert hatte ich mich aus dem Getümmel herausgehalten, obwohl ich an meiner Kette mitgezerrt worden war. Aber Andreas hatte recht: Eines Tages mußte ich mitkämpfen, denn ich wollte nicht sterben, und ich konnte nicht immer von Andreas ’ Ration mi t zehren.
Ich lächelte und fragte mich, warum mir und meinen Mitgefangenen soviel am Leben lag. Weshalb wählten wir das Leben? Vielleicht ist diese Frage unsinnig, aber damals in den Bergwerken kam sie mir nicht so vor.
»Wir müssen einen Fluchtplan schmieden«, sagte ich zu Andreas.
»Still, du Narr!« zischte eine entsetzte Stimme aus e i niger Entfernung.
Es war Ost aus Tharna, der mit Andreas und mir in die Bergwerke geschickt worden war.
Er haßte mich. Aus irgendeinem Grunde gab er mir die Schuld an seinem Schicksal. Heute hatte er zum wiede r holten Male das Erz auseinandergetreten, das ich auf Händen und Knien aus dem schmalen Bergwerksvortri e ben herausgebrochen hatte. Und zweimal hatte er das von mir gebrochene Erz gestohlen und es in seinen eigenen Beutel gesteckt, den wir Sklaven bei der Arbeit um den Hals trugen. Der Peitschensklave hatte mich daraufhin gestraft, weil ich nicht meinen Teil zur täglichen Ablief e rungsmenge der Kettengemeinschaft beitrug, zu der ich gehörte.
Wenn die Ablieferungsmenge nicht erreicht wurde, e r hielten die Sklaven am Abend nichts zu essen. Wenn sie ihr Minimum drei Tage hintereinander nicht schafften, wurden sie in die lange Zelle gepeitscht, die Tür wurde verriegelt und der Raum überflutet. Viele Sklaven sahen mich unwillig an. Vielleicht weil ihre Ablieferungsme n ge gesteigert worden war, als ich zu ihnen kam. Auch ich nahm an, daß das mehr als ein Zufall war.
»Ich verrate dich!« zischte Ost, »wenn du eine Flucht planst!«
Im Halbdämmer der beiden kleinen Tharlarionlampen sah ich, wie der gedrungene Mann neben Ost wortlos seine Armketten um den dünnen Hals des Mannes legte. Ost versuchte sich mit schwachen Bewegungen zu befre i en. Seine Augen traten hervor. »Du wirst niemand verr a ten«, sagte eine Stimme, die ich sofort erkannte. Sie g e hörte dem muskelstarken Kron aus Tharna, aus der Kaste der Metallarbeiter. Gegen ihn hatte ich in der tharnaischen Arena gekämpft, und ich hatte sein Leben geschont. Die Kette ruckte. Ost begann krampfhaft zu zittern.
»Laß ihn am Leben«, sagte ich zu Kron.
»Wie du willst, Krieger«, sagte Kron und ließ Ost fa l len, zerrte seine Kette über dessen Gesicht. Ost lag e r schöpft auf dem nassen Boden, die Hände an der Kehle, und er keuchte und schnappte nach Luft.
»Du scheinst einen Freund gewonnen zu haben«, sagte Andreas.
Mit lautem Kettenrasseln und einer heftigen Bewegung seiner breiten Schultern machte es sich Kron auf dem Boden bequem. Nach wenigen Sekunden verriet sein r u higes Atmen, daß er eingeschlafen war.
»Wo ist Linna?« fragte ich Andreas.
Seine Stimme war traurig, was selten geschah. »In e i nem der großen Anbaugebiete Tharnas«, sagte er. »Ich habe ihr nicht helfen können.«
»Wir haben uns selbst nicht helfen können«, sagte ich.
Es wurde wenig gesprochen in der Zelle, denn die Männer hatten sich wenig zu sagen. Außerdem waren sie erschöpft von der anstrengenden Arbeit des Tages. Ich lehnte mit dem Rücken an der feuchten Mauer und lauschte auf die Geräusche ihres Schlafes.
Ich war noch fern vom Sardargebirge, fern von den Priesterkönigen dieser Welt. Ich hatte weder meiner Stadt, noch der geliebten Talena, noch meinen Freunden oder meinem Vater helfen können. Keine zwei Steine durften je wieder zusammenkommen. Dieser Rätse l spruch der Priesterkönige, der Ausdruck ihres graus a men, unverständlichen Willens, ließ sich noch nicht l ö sen. Ihr Geheimnis war sicher, und ich würde früher oder später in diesen schwarzen Stollen sterben.
Tharna hatte etwa hundert Bergwerke, in denen ve r schiedene Kettengemeinschaften von Sklaven an der A r beit sind. Die Stollen dieser Bergwerke ziehen sich en d los durch die reichen Erzlager, auf
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