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Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)

Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)

Titel: Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Keiser
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sie nie wieder.
    Möglicherweise war ich überhaupt der letzte Mensch gewesen, mit dem sie gesprochen hatte. Vier Tage später berichtete der Chronicle, dass Vanessa Brown, eine der großen Schauspielerinnen, beim Einkaufen in einem Supermarkt zusammengebrochen und im Alter von fünfundachtzig Jahren einem Hirnschlag erlegen war.
    Ich war zutiefst betroffen, als ich die Nachricht las, obwohl ich sie nur dieses eine Mal getroffen hatte.
    Vor meinem geistigen Auge stand sie mir gegenüber, mit ihrer weißen Haarpracht, ihrem fein geschnittenen Gesicht und ihren geheimnisvollen hellgrünen Augen.
    Hinter ihr war die kleine Hütte zu sehen.
    Ich stand unter dem Apfelbaum. Und jetzt, da ich mich in der vertrauten Umgebung meines eigenen Hauses befand und somit in der Lage war, meine Gedanken richtig zu ordnen, da brach die Woge der Erkenntnis, die vier Tage vorher bei Vanessa Browns unerwartetem Erscheinen noch zurückgehalten worden war, wie eine Sturmflut über mich herein.
    Dazu muss ich erwähnen, dass die Träume keineswegs aufgehört hatten. Im Gegenteil, sie waren sogar noch intensiver geworden. Ich konnte jetzt inzwischen die Stimmen von zwei Männern zu hören, die sich über das brachliegende Grundstück, auf dem der Apfelbaum stand, unterhielten. Ich konnte Satzfetzen, wie ... die Koppel soll ... vier bis fünf Stuten ... Van macht mir die Hölle heiß, wenn ... muss weg, am besten gleich ... verstehen, wobei jede Nacht ein oder zwei neue Worte hinzukamen.
    Die Erkenntnis, die ich in erlangte, bezog sich auf ein bestimmtes Element dieses immer wiederkehrenden Traums.
    Dieses Element war mein Standort.
    Dort, wo ich in dem Traum stehen musste, um dieses spezielle Sichtfeld zu haben, stand in Wirklichkeit der Apfelbaum. Das war es gewesen, was ich beinahe schon vor ein paar Tagen begriffen hätte, bevor ich durch Vanessa Browns Auftauchen abgelenkt worden war.
    In meinen Träumen stand ich exakt an der Stelle, an der der Apfelbaum eigentlich hätte stehen sollen und beobachtete regungslos. Und hörte Stimmen. Der Baum selbst war allerdings nicht zu sehen.
    Warum?
    Ich legte die Zeitung beiseite, atmete tief durch.
    In meinen Träumen war ich selbst der Apfelbaum.
    Ich hatte noch nie davon gehört, dass jemand geträumt hatte, eine Pflanze zu sein und dies auch noch Nacht für Nacht. Seit knapp zwei Wochen.
    Erst jetzt zog ich die Möglichkeit in Betracht, dass dieser Traum unter Umständen mit dem Verzehr des Apfels zusammenhängen konnte.
    Essen Sie lieber keinen von den Äpfeln, hallte mir noch Vanessa Browns Stimme durch den Kopf. Selbst ihr Tonfall war mir noch vollkommen gegenwärtig.
    Was hatte die Frau gewusst? Gab es etwas an dem Baum und seinen Äpfeln, das über das Normale hinausging?
    Wenn ich es herausfinden wollte, dann war ich von jetzt an auf mich allein gestellt, denn der einzige Mensch, der vielleicht etwas darüber zu berichten gehabt hätte, war nun tot.
    Ich ging in die Küche und zog eine der Küchenschubladen heraus, in denen ich so allerlei Kleinkram aufbewahrte, der sich im Lauf der letzten Jahre angesammelt hatte. Ich entdeckte sofort, wonach ich suchte.
    Ich nahm das Apfelkerngehäuse, das ich dort verstaut hatte, legte es auf den Küchentisch und betrachtete es mir sehr genau.
    Es schien alles ganz normal zu sein. Es handelte sich hier ohne jeden Zweifel um den vergammelten Rest eines längst gegessenen Apfels, der in den Mülleimer gehört hätte. Trotzdem hinderte mich etwas daran, das Gehäuse mit seinem halben Dutzend Kernen wegzuwerfen.
    Es klingt absurd, aber damals fand ich diese Vorstellung pietätlos.
    Anstatt also die Reste wegzuwerfen, tat ich erneut etwas, das ich mir heute nicht mehr erklären kann. Ich nahm die Kerne und trug sie hinaus in das kleine Gartenstück vor dem Haus, wo ich sie in der weichen, dunklen Erde vergrub.
    Die darauffolgende Nacht brachte zur Abwechslung etwas Neues.

    Die beiden Männer, deren Unterhaltung ich bisher nur bruchstückweise hatte mitverfolgen können, traten scheinbar aus dem Nichts in mein Sichtfeld. Einen der beiden Männer kannte ich aus den Zeitungen, und ich denke, er war mir in dieser Stadt zuvor ein oder zweimal über den Weg gelaufen.
    Es war Albert „Big A“ Shoemaker.
    Ich sah ihn so, wie er ungefähr zu der Zeit ausgesehen hatte, als er verschwunden war. Damals war er einundsiebzig Jahre alt gewesen, hatte aber rund zehn Jahre jünger ausgesehen.
    So sah er auch jetzt aus. Er trug ein buntes, groß kariertes Jackett,

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