Gottesopfer (epub)
Faden wieder auf. »Pater, erzählen Sie uns endlich, was Sie wissen! Es ist doch offensichtlich, dass, wenn Sie nicht der Mörder sind, es jemand auf Sie abgesehen hat. Wer könnte das sein?«
Pater Dominik saà vornübergebeugt auf dem Stuhl und verbarg sein Gesicht in beiden Händen. Dann richtete er sich langsam auf. Seine Stimme war immer noch nur ein Flüstern.
»Ich weià es nicht.«
»Vielleicht jemand aus Ihrer Gruppe? Ist bei Ihren komischen Geistersitzungen mal jemand zu Schaden gekommen?«
Pater Dominik schüttelte den Kopf und sagte bestimmt: »Nein. Das ist überhaupt nicht möglich.«
»Wieso nicht?«, fragte Sam. »Es gibt doch einige Fälle, bei denen Menschen gestorben sind, diese Deutsche in den Siebzigerjahren zum Beispiel. Ich habe sogar einmal einen Film darüber gesehen.«
»Sie meinen Anneliese Michel? Sie ist aber nach einem Exorzismus gestorben, nicht nach einer Séance. Sie haben recht, bei einem Exorzismus kann tatsächlich einiges schiefgehen. Ich habe an einigen Austreibungen teilgenommen, die sehr zweifelhaft waren. Deshalb habe ich mich dagegen entschieden, selbst Exorzismen zu praktizieren. Eigentlich bin ich ausgebildeter Exorzist, aber es ist eine Gratwanderung, zwischen dämonischer Besessenheit und Geisteskrankheit zu unterscheiden. Deshalb habe ich mich entschlossen, nur den einfachen Exorzismus zu praktizieren.«
»Den einfachen Exorzismus? Nennen Sie so Ihre Sitzungen?«, fragte Juri und schüttelte ungläubig den Kopf..
Der Priester lächelte. »Nein, das ist ein Teil des Taufritus. Während der Taufe wird der Täufling von der Erbsünde und seinem Anstifter, also dem Teufel, befreit.«
»Entschuldigen Sie bitte, habe ich das eben richtig verstanden? Sie wurden zum Exorzisten ausgebildet? Und das erzählen Sie jetzt erst?«, sagte Sam fassungslos.
»Sie haben mich nie danach gefragt.«
»Na, ich bitte Sie, wer kommt denn auf die Idee, dass es heute noch Exorzisten gibt.«
»Wussten Sie nicht, dass die katholische Kirche bis heute ganz regulär Exorzisten ausbildet? Papst Benedikt will dreitausend neue Teufelsaustreiber ausbilden lassen, sogar Frauen.«
Sam schwieg einen Moment verblüfft und sagte dann: »Als Exorzist kennen Sie sich ja sicherlich auch mit dem geheiligten Salz, den geweihten Kerzen und Kräutern aus, nicht wahr?«
»Ja, warum?«
»Weil wir das an allen Tatorten gefunden haben«, sagte Sam scharf. Wieder fragte er sich, ob der Inquisitor nicht direkt vor ihm saà und ihn zum Narren hielt. Dann dachte er an die junge Frau, von der nur ein wenig Asche übrig geblieben war, und fragte den Pater: »Wie haben Sie Isabella Longi kennengelernt?«
»Vor etwa zwei Jahren kam sie zu mir zur Beichte. Auf einmal sprach sie lateinisch mit mir. Sie sagte mir, dass sie mir dabei helfen wolle, meine Zweifel am katholischen Glauben zu überwinden. Ich hatte niemals mit irgendjemandem über meine inneren Konflikte geredet. Als sie aus dem Beichtstuhl trat, fragte ich sie, wo sie Latein gelernt habe. Sie war ganz erstaunt. Sie konnte kein Wort Latein, und sie konnte sich an unser Gespräch nicht erinnern, nur an ihre Beichte.«
»War sie gestern hier?«
»Ja. Wir hatten gestern Abend eine Sitzung. Isabella war das Medium. Ich wollte gestern ein anderes Medium an die Séancen heranführen und ein paar Jugendliche warnen, die auf eigene Faust mit einem Ouija-Brett Geister gerufen haben. Ich habe Ihnen ja schon einmal erklärt, dass das fatale Folgen für den menschlichen Geist haben kann.«
»Ja, ich erinnere mich.« Sam stand auf und lief wie ein Tiger im Käfig auf und ab. Er dachte an seine Schwester, die nach wie vor apathisch in der Klinik lag. Er hatte gestern vom Genfer See aus mit Doktor Willfurth gesprochen, der ihm gesagt hatte, dass Lilys Zustand unverändert war. Sam fragte sich wieder einmal,ob Lily deshalb so krank war, weil sie wie die Jugendlichen, von denen der Pater sprach, auf eigene Faust Geister gerufen hatte, die sich fürchterlich an ihr gerächt hatten. Doch das war absurd, dieser ganze Geisterquatsch! Es wurde Zeit, dass er den Fall löste. Energisch sagte Sam: »Ich möchte die Namen von allen haben, die in den letzten zwei Jahren an Ihren Sitzungen teilgenommen haben.«
»Das ist unmöglich. Manchmal kommen Leute, die ich gar nicht kenne, vor allem wenn ich
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