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Gott´sacker (Krimi-Edition)

Gott´sacker (Krimi-Edition)

Titel: Gott´sacker (Krimi-Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boenke
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hatte ich es nicht ausgehalten, nachdem ich den Inhalt des polizeilichen Notizblockes und die Bilder meiner Kamera auf meine Festplatte kopiert hatte, denn in den Räumen stand die Hitze. Kurz vor dem Ochsen hörte ich Schritte hinter mir – Frauenschritte – es war die festbrüstige Nervensäge namens Hildegard: »Hallo. Gehst du auch noch in den Ochsen zur Versammlung? Das ist ja der Wahnsinn, was in diesem Kaff abgeht, und voll gruselig. Wenn ich das in der Gruppe erzähle, das glaubt mir niemand. Der Müller ist eigentlich supernett, ich denke, dem fehlt halt als Frührentner ein bisschen der Ausgleich. Ich hatte den immer für so einen Chauvi gehalten. Er kann mir auch so ein Hundebaby besorgen.«
    Das Einzige, was du brauchst, ist ein Menschenbaby, dann zettelst du keine Gedenkdemos für Köter an und brauchst keine Psycho-Gruppen, dachte ich, sagte aber: »So ein Hündchen ist wirklich was Nettes. Und die aus der Gruppe wissen das doch schon längst, so was geht in Sekunden durchs Dorf.«
    »Ich meine die andere Gruppe, die in Ravensburg.«
    Ich fragte lieber nicht nach.

    Im Biergarten herrschte Dorf-Krisen-Stimmung. Am Laternenpfahl hing ein Schild ›Geschlossene Gesellschaft‹. Der Bürgermeister Hubert Hallinger stand auf einer kleinen unnatürlichen Erhebung, einer umgedrehten hölzernen Bierkiste direkt unter dem größten Kastanienbaum, an dem schon die bunten 25-Watt-Glühbirnen mediterrane Stimmung verbreiteten. Er fuchtelte aufgeregt mit dem rechten Arm und hielt seinen Mitbürgern eine Ansprache. In der Linken hielt er einen frisch gefüllten Maßkrug. Wortfetzen drangen zu uns, ich stand mit Hildegard am geöffneten Fenster des gastwirtschaftlichen Nebenzimmers und versuchte, das Gehörte aus dieser sicheren Distanz in einen logischen Zusammenhang zu bringen.
    »Unser schönes Dorf. Mord und Totschlag … von außerhalb … Zusammenhalt. Schwere Stunden … alle zusammen … das glaubt ja wohl niemand … Polizei … schlecht für den Tourismus … im Schweiße unseres Angesichtes … früher der Kommunismus, heute Mord und Totschlag … Auswirkungen der Russenmafia … selbst ein deutscher Schäferhund … auf das Grausamste … Zeichen der Überfremdung …«
    So einen Schwachsinn hatte ich im Dorf zuletzt vor der anstehenden Bürgermeisterwahl gehört und als ich mich angewidert vom Fenster wegdrehte, hatte ich drei Frauen vor mir, eine doofe und zwei schöne. Das wohlgeformte, aber etwas nervös wirkende Fräulein Kommissarin, eine eifersüchtig dreinschauende Cäcilia und eine immer noch gedankenlose Hildegard. Zu meiner Beruhigung sagte Hilde: »Der redet mal wieder braune Scheiße!«
    Mit einem koketten Augenaufschlag beantwortete sie meinen anerkennenden Blick.
    »Wollen wir uns nicht alle an einen Tisch setzen?«, fragte die schlanke Blonde mit einer einladenden, fast meditativ weiten Handbewegung, die sie wahrscheinlich in einem Kommunikationskurs gelernt hatte.
    »Au ja, und dann spielen wir Abendmahl und Sie bekommen die gute Jesus-Rolle. Ich bin der böse Judas.«
    »Ist der immer so? Wie halten Sie das mit ihm aus?«, fragte die blonde Schöne gereizt in Richtung Cäci.
    Cäci nickte und strafte mich mit einem wackelnden Zeigefinger. Die Situation gefiel mir langsam immer besser.
    »Wo sind denn heute Ihre Mopedfreunde?«
    »Die dürfen noch nicht so lange aufbleiben. Es wird ja schon dunkel, da kommt die Nachtfrau.«
    »Daniii!«, warnte Cäci.
    Das blonde Drei-Sterne-Eisfach-Fräulein nickte dankbar in Richtung Cäcilia.
    Frieda war als Pendlerin zwischen Zapfhahn und Biergarten auf kurzem Umweg zu uns gekommen und hatte unaufgefordert vier helle Biergetränke auf den Tisch geknallt. Etwas Schaum spritzte auf den lackierten Holztisch des winzigen eigenwillig eingerichteten Nebenzimmers. Es war das Jagdzimmer. Cäcis Vater hatte in diesem seltsam geschmückten Raum mit seinen Jägerfreunden den wöchentlichen Stammtisch zelebriert. Überall hingen bleiche längliche Schädel mit mehr oder weniger großen Geweihen und Hörnern. Auf einigen größeren Geweihen saßen ausgestopfte Vögel: Eichelhäher, Elstern, Fasane, aber auch Bussarde und Sperber. Zentral drohte der grimmige Kopf eines Ebers, dessen gelbe, säbelartige Hauer furchterregend seitlich aus dem Maul ragten. Fast schon verspielt wirkten die präparierten Fische, Karpfen, Hechte und Forellen, die das düstere Gesamtbild mit ihren hochglanzlackierten Körpern auflockerten.

    »Geht aufs Haus.

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