Gottspieler
antwortete nicht. Sie war sicher, daß Thomas seit seiner Kindheit keine Kopfschmerzen mehr gehabt hatte.
»Nun«, sagte Ballantine mit gezwungener Jovialität, »auf alle Fälle sollten Sie jetzt erst einmal an Ihr Auge denken und sich nicht den Kopf über Thomas zerbrechen. Er war sogar bereit, uns Einblick in seine Verschreibungspraxis zu geben.« Ballantine stand auf und klopfte Cassi auf die Schulter.
»Ich hoffe, Sie haben recht«, sagte Cassi seufzend.
»Natürlich habe ich recht«, meinte Ballantine, enttäuscht über das offensichtliche Fehlschlagen seiner Bemühungen.
»Sie haben ihm doch nichts von unserer Unterhaltung erzählt?« erkundigte sich Cassi rasch, ehe Ballantine seine Intervention allzusehr bereuen konnte.
»Natürlich nicht. Wie auch immer, die Eifersucht Ihres Mannes läßt keinen Zweifel daran, daß er Sie verehrt. Was mehr als verständlich ist.« Ballantine lächelte.
»Danke, daß Sie sich die Mühe gemacht haben, herüberzukommen«, sagte Cassi.
»Nicht der Rede wert«, erwiderte Ballantine und verabschiedete sich mit einem Winken. Als er auf die Feuertür zuging, fragte er sich, wie jemand freiwillig Psychiater werden konnte. Er war froh, Clarkson Zwei den Rücken kehren zu können.
Er stieg in den Fahrstuhl und schüttelte den Kopf. Er haßte es, in die Familienprobleme anderer Leute verwickelt zu werden. Da versuchte er, den beiden Kingsleys zu helfen, um Cassi zu beruhigen, und sie schien nicht einmal zuhören zu wollen. Zum erstenmal begann er an Cassis Objektivität zu zweifeln.
Er verließ den Fahrstuhl und beschloß, es jetzt noch einmal bei George Sherman zu versuchen.
George stand im Casino, umgeben von Schwestern und Praktikanten. Als er Ballantines Blick auffing, entschuldigte er sich und folgte dem Direktor auf den Flur hinaus.
»Ich hatte heute morgen eine eigenartige Unterhaltung mit Kingsleys Frau«, kam Ballantine gleich zur Sache. »Ich dachte, sie sei gekommen, um sich für den Zwischenfall gestern abend auf der Party zu entschuldigen, aber darum ging es gar nicht. Sie machte sich Sorgen, daß Thomas vielleicht zu viele Pillen schluckt.«
George öffnete den Mund, schloß ihn aber wieder, ohne etwas zu sagen. Die Praktikanten hatten ihm gerade berichtet, wie Kingsley sich am Morgen im OP benommen hatte, bevor er abgelöst worden war. Wenn er das dem Direktor erzählte, würde Thomas mehr als nur ein bißchen Ärger kriegen. Und es bestand ja immer noch die Möglichkeit, daß er am Abend zuvor einfach nur zu tief ins Glas geschaut hatte; immerhin war er über den Streit ziemlich aufgebracht gewesen. George beschloß, seine Gedanken für sich zu behalten, jedenfalls im Moment noch.
»Glauben Sie ihr?« fragte er.
»Ich bin nicht sicher. Ich habe Thomas darauf angesprochen, und er hatte eine gute Erklärung, wenn ich auch sagen muß, daß sein Temperament selbst für meinen Geschmack in letzter Zeit etwas zu oft mit ihm durchgeht.« Ballantine seufzte. »Sie haben immer gesagt, es läge Ihnen nichts daran, meinen Posten zu übernehmen, aber selbst wenn Kingsley sich bereit erklärte, seinen privaten Status aufzugeben, bin ich nicht sicher, daß er noch der Richtige für die Abteilung ist, wenn wir erst mit der Reorganisation fertig sind. Mit Sicherheit wird er sich gegen die neuen Patienten aussprechen, die wir in das Lehrprogramm aufnehmen wollen.«
»Stimmt«, meinte George. »Und ich kann mir auch nicht vorstellen, daß er von unserer Absicht, geistig Behinderte umsonst zu operieren, hingerissen sein wird. Selbst wenn es der beste Weg ist, Übungsmaterial für angehende Gefäßchirurgen zu beschaffen.«
»Nun, sein Standpunkt ist nicht unbedingt falsch. Diese neuen, kostspieligen Operationsmethoden sollten in erster Linie Patienten zugute kommen, deren Chancen auf eine erfolgreiche Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß gut stehen. Aber leider darf sich ein Praktikant nur selten an derartigen Fällen versuchen. Und wer soll letztendlich beurteilen, welcher Patient wertvoll für die Gesellschaft ist und welcher nicht. Wie Sie schon sagten, George, wir sind Ärzte, keine Götter.«
»Vielleicht beruhigt er sich ja wieder. Wenn Ihre Pläne durchkommen, werden wir ihn in unserer Mitte brauchen.«
»Hoffen wir das Beste. Ich habe ihm vorgeschlagen, doch einmal mit seiner Frau zu verreisen. Da fällt mir ein, seine Beschuldigungen, was Cassi und Sie angeht, scheinen mir ja die reinste Paranoia zu sein.«
»Leider, ja. Aber ich sage Ihnen, wenn ich nur
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