Gottspieler
interstitieller plasmazellulärer Pneumonie, das heißt, einer in fünfzig Prozent der Fälle tödlich verlaufenden Lungenentzündung, erkrankt.«
Ein aufgeregtes Murmeln lief durch das Publikum.
»Ich brauche Sie wohl nicht extra daran zu erinnern«, legte sich George Shermans Stimme auf das Raunen, »daß eine solche Erkrankung auf AIDS schließen läßt, also auf ein nicht mehr funktionsfähiges Immunsystem, was wir bei Mr. Washington auch in der Tat feststellen konnten. Wie sich weiter herausstellte, gehört Mr. Washington zu jenen Homosexuellen, deren Veranlagung und Lebensstil früher oder später zu dieser Form von Immunsuppression führen.«
Jetzt verstand Thomas, was George gestern nachmittag im Casino gemeint hatte. Er schloß die Augen und versuchte, seinen aufsteigenden Ärger zu unterdrücken. Ganz offensichtlich handelte es sich bei Jeoffry Washington um die Art von Fall, dessentwegen seine Patienten nicht genug Betten und OP-Zeit erhielten. Diesmal allerdings war er nicht allein mit seinen Reserven, was eine Operation an Jeoffry Washington betraf. Einer der anwesenden Internisten hob die Hand, und als George ihn aufrief, sagte er: »Ich möchte ernsthafte Zweifel anmelden, daß eine solche Herzoperation bei einem von AIDS befallenen Patienten auch nur den geringsten Sinn hat.«
»Ein Einwand, der zu bedenken wäre«, pflichtete George bei. »Ich kann aber sagen, daß Mr. Washington immunologisch gesehen noch kein allzu abnormes Bild bietet. Wir haben den Eingriff für nächste Woche angesetzt, werden bis dahin aber seine T-Zellen und die gesamte zytotoxische T-Zellen-Population in seinem Körper beobachten. Dr. Sorenson von der Immunologie ist der Meinung, daß AIDS zu diesem Zeitpunkt noch nicht unbedingt gegen eine Operation sprechen muß.«
Jetzt schoß eine Anzahl Hände in die Höhe, und während George einen Zuhörer nach dem anderen aufrief, entspann sich eine heiße Diskussion, so daß die Konferenz länger dauerte als üblich. Selbst als sie offiziell zu Ende war, standen hier und dort noch Leute in kleinen Gruppen zusammen und diskutierten weiter.
Thomas versuchte sich sofort zu verdrücken, aber Ballantine verstellte ihm den Weg. »Hervorragende Konferenz«, strahlte er.
Thomas nickte. Er wollte nichts als fort. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er in einen Schraubstock gespannt.
George Sherman gesellte sich zu ihnen und schlug Thomas auf den Rücken. »Denen haben wir beide heute aber wirklich was geboten«, sagte er. »Eigentlich hätten wir Eintritt verlangen sollen.«
Thomas drehte sich langsam zu George um und starrte in das selbstzufriedene, grinsende Gesicht. »Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, für mich war die ganze Konferenz eine einzige gottverdammte Farce.«
Ein ungemütliches Schweigen breitete sich aus, während die beiden Männer sich inmitten der Menge mit Blicken maßen.
»Okay«, meinte George schließlich. »Ich nehme an, hier darf jeder denken, was er will.«
»Ich hätte mal eine Frage. Soll dieser arme Kerl, Jeoffry Washington, den Sie da eben vorgeführt haben wie einen Freak aus einer Monstrositätenschau, etwa ein Bett in der Herzchirurgie bekommen?«
»Natürlich«, antwortete George, jetzt ebenfalls wütend. »Wo würden Sie ihn denn hinlegen, in die Cafeteria?«
»Jetzt macht aber mal einen Punkt, ihr zwei«, schaltete sich Ballantine ein.
»Ich will Ihnen sagen, wo er hingehört«, schnappte Thomas und bohrte George den Zeigefinger in die Brust. »Er gehört auf die Krankenstation, für den Fall, daß man etwas gegen sein immunologisches Problem tun kann. Nachdem er bereits eine interstitielle plasmazelluläre Lungenentzündung hatte, bestehen die besten Aussichten, daß er tot ist, ehe er überhaupt lebensgefährliche Schwierigkeiten mit dem Herzen bekommt.«
George schlug die Hand des anderen beiseite. »Wie ich schon sagte, Sie haben das Recht auf eine eigene Meinung. Ich indes halte Mr. Washington für ein ausgezeichnetes Lehrbeispiel.«
»Gutes Lehrbeispiel«, höhnte Thomas. »Der Mann ist ein Fall für den Medizinmann, nicht für die Chirurgie, also sollteer auch nicht jemand, der es nötiger braucht, eins der ohnehin schon knappen Betten in der Herzchirurgie wegnehmen. Geht das nicht in Ihren Dickschädel? Wegen derartiger alberner Entscheidungen muß ich meine eigenen Patienten auf die lange Bank schieben, Patienten, denen auf der Krankenstation nicht geholfen werden kann und die wirklich nützliche Mitglieder unserer Gesellschaft
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