Gottspieler
mindestens zwei Tage, und er schlug Cassi vor, morgen wiederzukommen, dann sei alles fertig. Cassi sagte, sie interessiere sich nur für die Ergebnisse der Venenuntersuchung, und vielleicht wären die schon vorhanden.
Die Dias, die sie brauchte, waren nicht nur fertig, sie standen sogar ganz am Anfang in der Schachtel. Es handelte sich um sechs Aufnahmen, die mit Jeoffrys Autopsienummer und den Worten Linke Vena basilaris beschriftet waren.
Cassi nahm an Roberts Mikroskop Platz und korrigierte die Brennweite, bis sie das Dia genau erkennen konnte. Als erstes bemerkte sie ein winziges, in sich zusammengefallenes, ringförmiges Gebilde vor dem Hintergrund schmutzigrosigen Gewebes. Selbst in der schwachen Vergrößerung fiel Cassi etwas Eigenartiges auf. Bei genauerem Hinsehen entpuppte es sich als ein weißer Niederschlag an der Innenseite der Vene. Die Außenseite sah dagegen vollkommen normal aus. Cassi fragte sich, ob die kleinen weißen Flocken bei der Präparation der Venenprobe entstanden sein konnten. Sie untersuchte die restlichen Dias und fand auf allen – mit einer Ausnahme – denselben Niederschlag.
Cassi trug die Schachtel ins Labor zurück und zeigte dem Techniker, was sie entdeckt hatte. Er war genauso verblüfft wie sie. Sie beschloß, Robert über ihre Entdeckung in Kenntnis zu setzen, sobald sie seine Zimmernummer herausgefunden hatte. Dann warf sie einen Blick auf die Uhr und stellte fest, daß es Zeit war, Ballantine aufzusuchen.
Er saß an seinem Schreibtisch und verzehrte ein Sandwich. Er fragte Cassi, ob seine Sekretärin ihr etwas aus der Cafeteria holen sollte, aber sie schüttelte den Kopf. In Anbetracht der Sache, die sie gleich zur Sprache bringen wollte, war sie nicht sicher, ob sie je wieder Appetit verspüren würde.
Sie fing damit an, daß sie sich für die Szene entschuldigte, die Thomas auf der Party verursacht hatte, aber Ballantine schnitt ihr das Wort ab und versicherte, die Party sei ein großer Erfolg gewesen und bestimmt könne sich niemand mehr an den kleinen Zwischenfall erinnern. Cassi wünschte, ihm glauben zu können; unglücklicherweise wußte sie aber, daß die Leute gerade solche skandalösen Auftritte in sehr lebendiger Erinnerung behielten.
»Ich habe heute morgen schon mit Thomas gesprochen«, sagte Ballantine. »Wir sind uns begegnet, bevor er in den OP gegangen ist.«
»Was für einen Eindruck hatten Sie von ihm?« fragte Cassi. Vor ihrem geistigen Auge sah sie Thomas bewußtlos in seinem Ledersessel liegen, dann, wie er ins Badezimmer getaumelt war.
»Er wirkte vollkommen in Ordnung. Schien ausgesprochen guter Laune zu sein. Es hat mich gefreut zu sehen, daß alles wieder normal war.«
Entsetzt merkte Cassi, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Sie hatte sich fest versprochen, es nicht soweit kommen zu lassen.
»Aber, aber«, sagte Dr. Ballantine. »Jeder schlägt mal über die Stränge, wenn er unter starkem Streß steht. Sie sollten den gestrigen Zwischenfall nicht überbewerten. So wie Thomas sich in die Arbeit stürzt, ist das völlig verständlich. Vielleicht nicht entschuldbar, aber verständlich. Meine Mitarbeiter haben mich darüber informiert, daß er ungewöhnlich viele Abende und Nächte in der Klinik verbringt. Sagen Sie, meine Liebe, bei Ihnen zu Hause ist er doch wie immer, oder?«
»Nein«, antwortete Cassi und blickte auf ihre Hände, die unbeweglich im Schoß lagen. Nachdem sie erst mal angefangen hatte, gab ein Wort das andere. Sie erzählte Dr. Ballantine von der Reaktion ihres Mannes auf die anstehende Operation und bekannte, daß ihre Ehe schon seit einiger Zeit beträchtlichenBelastungen ausgesetzt gewesen sei, obwohl sie nicht glaubte, daß die Ursache in ihrer Krankheit liege. Thomas hatte schon vor der Hochzeit darüber Bescheid gewußt, und mit Ausnahme der Augengeschichte hatte sich ihr Zustand nicht verändert. Sie konnte es sich nicht vorstellen, daß ihre gesundheitliche Verfassung als Erklärung für seine Stimmung ausreichte. Sie hielt inne und begann vor Angst zu schwitzen.
»Ich glaube, in Wirklichkeit liegt das Problem darin, daß er zu viele Pillen nimmt. Ich meine, eine Menge Leute nehmen hin und wieder eine Dexedrine oder eine Schlaftablette, aber Thomas übertreibt es vielleicht.« Sie schwieg und warf einen Blick auf Ballantines Gesicht.
»Etwas in der Art ist mir auch zu Ohren gekommen«, sagte Ballantine beiläufig. »Einer der Praktikanten hat auf dem Flur eine Bemerkung darüber gemacht, daß Dr.
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