Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
tenkutte aus und reichte sie ihm.
»Zieh die Kapuze tief über die Stirn, dann sieht ’ s keiner. Man wird dich für besonders fromm halten. Und Rüesch wird die Narbe bewundern!« richtete ich ihn auf. »Robe r to, du bist mein Bruder. Du hast mich gefunden, abg e stürzt mit meinen Schneeschuhen von einem Felsen, die Glieder zerbrochen. Du hast mich gepflegt – drei lange Wochen. Umsonst. Ich bin in deinen Armen verschieden. Meine letzten Worte waren: ›Such meine kleine Braut, Rüesch-Savoign, an der ich schwer gefehlt, und bitt ’ sie, in des Heilands Namen ihrem armen William zu verze i hen, der seinen liebsten Bruder schickt, damit er den Platz ei n nimmt, den Ichsucht, Unvernunft – und nun auch Schicksal dem a r men, und nun toten William von Roebruk verwehrt h a ben.‹«
»Nie werd ’ ich das so schön sagen können«, klagte R o berto.
»Sag einfach: William ist tot, und es tut ihm leid!« schlug Guiscard vor. »Wir müssen weiter!«
Roberto gab mir seine Jacke und Hose, und ich sagte: »Nimm dein gutes Herz in die Hand. Es wird schon we r den!« Ich umarmte ihn zum Abschied, und er ritt los gen Norden.
»Besser den Schwanz!« rief Guiscard ihm nach. »Das ist der beste Witwentröster!« Ich hoffte sehr, daß Roberto den Rat nicht mehr hörte.
»Ich unterstelle«, sagte Guiscard, als wir weiter der Kü s te zu trabten, »du kannst reiten und denken gleichze i tig.« Er zog ein versiegeltes Schriftstück aus seinem Wams. Ich erkannte das Stemma der Capoccio. »Ich brauch ’ es nicht zu erbrechen«, lachte Guiscard, »es ist an den Hafenko m mandanten in Ostia gerichtet und weist ihn an, dir ein Schiff zu geben. Ich wette, es steht da auch geschrieben: das langsamste, das gerade zur Hand ist!« Ich verstand nichts. »Vitus will zwar, daß du nach Otra n to gelangst, dir dabei einbildest, dies so schnell wie me n schenmöglich zu vollbringen, in Wahrheit aber so lan g sam, daß er weit vor dir dort eintreffen kann.«
Ich hatte immer noch nicht verstanden und sagte deshalb töricht: »Aber wir reiten doch gar nicht nach Rom?«
»Ich sehe, beides zusammen macht dir doch Schwieri g keiten, William!«
»Am besten, Guiscard, du packst die Geschichte von vorne an, beginnend mit deinem Holzbein!«
Der Amalfitaner lachte und klopfte auf das Holz. »Sein Vorgänger lief erst blau, dann schwarz an; ich wußte, das war Wundbrand und ich müßte die Segel streichen. Doch Gersende schickte nach Arezzo zu einem arabischen Do k tor und ließ ihn mitsamt seinem Gehilfen und allen Geräten mitten in der Nach t h erbeiholen. Er sagte nur: ›Wenn wir noch drei Stunden warten, gibt ’ s ein steifes Holzbein, noch mal drei Stunden und der ganze Körper ist steif: Holzsarg! Sofort aber, kann ich dir die Beweglichkeit des Knies e r haltene So machten wir ’ s, und ich blieb bei Elia als Ke l lermeister, denn der Bombarone versteht sich auf einen guten Tropfen, und mir war ’ s recht. Dann rief der Kaiser ihn als treuen Berater zu sich, wohl weil er vielen in seiner Nähe nicht mehr traute. Darauf müssen die Päpstlichen nur gewartet haben. Kaum war er fort, überfielen sie uns. Vitus scheint auf der Suche nach irgendwas oder -wem zu sein; er durc h wühlte Truhen und Laden, ohne daß er es wohl gefunden hat. Mich hatte Gersende als altes Hausfaktotum vorg e stellt, und er beließ es dabei. Und dann kamst schon du hereinspaziert. Als dir im Hofe die Eisen angelegt wu r den, rief er diesen Roberto zu sich, den er wie einen Ke t tenhund mit sich führte, und befahl mir, ihn im Keller als Gefangen anzuketten, damit du gleich siehst, welches Schicksal dir blüht. Auch hatte er dich ja vorher schon ei n geschüchtert, so daß wohl zu erwarten stand, daß du nach alsbaldiger Flucht trachtest – denn das hatt ’ der Vitus ei n zig und dringlich im Sinn, daß du in Panik zur Gräfin rennst und dort für Verwirrung und überstürzte Flucht sorgst!«
»Wie sollte ich auch nicht alarmiert sein angesichts des armen Hamo und eines so verräterischen Elia?«
»William«, sagte er belustigt, »hast du immer noch nicht begriffen: Weder ist Hamo in ihren Händen, noch denkt Elia daran, sich mit ihnen gemein zu machen! Die wissen von nichts! Es sind alles pure Erfindungen des Vitus und nur dazu ausgedacht, dich mürbe zu machen. Du bist sein einziger Schlüssel!« Der Amal-fitaner schaute mich mitle i dig von der Seite an, war ich doch schwer von Begriff. »›Also‹, sagte ich zum Herrn Vitus, als ich die Kerkersz e nerie
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