Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
der weitgere i ste Missionar sich mit ihr beim Papst zurückmelden konnte.
Der Bischof hatte Pian dort in der ›Obhut‹ anderer Qua r tiergäste belassen, der Templer-Abordnung unter ihrem Präzeptor Gavin Montbard de Bethune. Die Anwesenheit der Ordensritter fand Nicola della Porta überaus beruh i gend, wenn sie ihm auch auf der Tasche lagen. Er war reich, konnte es sich leisten, und Schutz schien ihm für die schwierigen Zeitläufte, denen das Lateinische Kaise r reich von Konstantinopel entgegenging, das absolut Wichtigste. Zumal in nächster Zukunft der Bischofspalast noch gern – nein gern nicht, aber leicht – Schauplatz heftiger Ause i nandersetzungen werden könnte. Die schönen Tage des Altweibersommers waren also zu genießen.
Er hatte Tante Laurence ins Hippodrom eingeladen, weil er sich gedacht hatte, daß ihre Gesellschaft dort leichter zu ertragen sei. So saß er denn mit der Gräfin und ihrer Zie h tochter Clarion, di e m an für die Dauer ihres Aufen t halts in Nonnentracht gesteckt hatte, in seiner schattigen Loge, kurz vor der Nordkurve, in der Höhe des kleinen Theod o sius-Obelisken und genoß die scharfen Ausdü n stungen von Pferdedung und Leder, das Vorbeipreschen der schweiß t riefenden Reiter, die sich beim Eingang zur Kurve in der Innenbahn zusammenknäulten, bedrängten, schlugen und stießen – danach kamen die Sekunden, wo er, auf die Folter gespannt, warten mußte, ob Reiter und Pferd, auf das er gesetzt hatte, zu den Gestürzten zählten oder nicht – und so Runde für Runde. Der Bischof sprang auf und schrie wie ein Gassenjunge – nur daß keiner d a von Notiz nahm: Alle wetteten, auch Tante Laurence. Endlich wurde Nicola e r löst: sein Pferd schoß mit leerem Sattel in die Gerade, vom Reiter keine Spur.
»Ôçò ä ’ áñåôÞò ßä ñùôá ϑ åïú ðñïðÜñïé ϑ åí å ϑ çêáí. Vor den Sieg haben die G ötter den Schweiß gesetzt.« Die Gräfin triumphierte, doch auch nur zwei weitere Runden lang. » Ἀ ϑ Üíáôïé· ìáêñÜò ä ἐ êá ὶ ὄ ñ ϑ éïò ïéìïò åò áõôÞí«, erg änzte der Bischof schadenfroh. Ihre Farben waren nicht unter denen, die jetzt unter ohrenbetäubendem G e schrei die Ziellinie passierten.
»Íßêç, íßêç! Sieg f ür Franziskus und die Seinen!« rief eine Stimme, die beide herumfahren ließ. Ein Mönch drängte sich lachend in die Loge. Es war Lorenz von O r ta, der päpstliche Legat, der schon letztes Jahr beim B i schof Station gemacht hatte und den die Gräfin bereits von O t ranto her kannte.
»Seit wann dürfen Minoriten auf Pferde wetten?« b e grüßte ihn Laurence erbost; sie hatte ihre Niederlage noch nicht verwunden.
»Boukephalos – so heißt der wundervolle Gaul«, strahlte Lorenz sie an, »frißt sein Futter in unserer Pfarrgemei n de! Heiliger Franz, Patron aller lieben Tiere, ich danke dir!«
Die drei rückten zusammen und machten ihm Platz.
»Wieso schon wieder im sündigen Byzantium?« fragte der Bischof leutselig.
»Segeltet Ihr nicht von Otranto zu Eurem Herrn Papst?« befragte ihn auch die Gräfin scharf.
»Schon erledigt!« grinste Lorenz. »Diesmal begleite ich – etwas auf eigene Faust zugegebenermaßen – den Sonde r botschafter König Ludwigs von Frankreich, den Herrn de Joinville«, so sprudelte er heraus, »der in geheimer Mission hier nach dem Rechten sehen soll.« Jetzt erst dämpfte er seine Stimme. »Der Graf soll bei Ankunft des Bruders Pian del Carpine überprüfen, wer als sein Begle i ter mit ihm zu den Mongolen reiste und was es mit diesen Kindern auf sich hat, die angeblich von einem William von Roe-bruk dorthin verbracht worden sind …«
Er ließ mit unverändert heiterem Gesichtsausdruck die Botschaft wirken, doch zeigten weder der Bischof noch die Gräfin die leiseste Betroffenheit. So setzte er noch eine Nachricht drauf:
»In der Begleitung des Seneschalls befindet sich ein eh e maliger Priester, ein gewisser Yves, genannt der Bret o ne. Der ist nun der persönliche Beichtvater des Königs, mehr noch: sein Schatten, und nicht seine rechte, aber linke Hand! Daß der fromme Ludwjg sich – auch nur für kurze Zeit – seiner entblößt, zeigt, wie wichtig die Klärung dieser ominösen G e schichte dem König ist: Sie liegt ihm im M a gen!«
»Das ist die Hand des Grauen Kardinals!« fauchte La u rence, »Er läßt uns den langen Arm des Castels spüren. Ich will hier weg!« Ihre Stimme schnappte über in plöt z licher Panik.
Der Bischof suchte sie
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