Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
Lorenz schon arglos vorausgeeilt war, »das ist das Todesurteil für Bruder William?«
»Es könnte bei seiner Leiche gefunden werden und die letzten Zweifel ausräumen.«
»Und Benedikt?«
»Der wird diesen Zeitpunkt nicht mehr erleben – und Pian wird sich fügen!«
»Und die Kinder? Wie werden sie es aufnehmen?«
»Woher die Sentimentalitäten, Yarzinth? Êýêëïò ôùí áí -èñùðçßùí ðñçãìÜôùí!« Der Bischof f ühlte sich unbeha g lich. »Das ist der Preis ihrer Rettung – und außerdem ist es höheren Ortes bestimmt … . Wieso sind die übe r haupt dort im Keller bei diesen Franziskanern?«
»Sie haben herausgefunden, wie Hunde und Ratten den ›letz-ten‹ Gang benutzen, ohne sich aufzuspießen«, lac h te der Koch leise. »Seitdem kriechen sie jeden Morgen auf allen vieren vom Pavillon in den Keller – nachdem ich i h nen verboten habe, in der Zisterne Kahn zu fahren –«
»Was?« Der Bischof war irritiert, doch sein Koch moc h te ihn nicht schonen:
»In Eurer Schatzkammer habe ich sie auch schon zwe i mal gefunden. Sie sind wie die Mäuse!«
»Daß nur die Katze sie nicht holt!« sagte der Bischof. »Oder dein Styx!« Nicola war, wie stets, unwohl bei dem Gedanken a n d as Tier. »Hast du ihn angekettet? Einge s perrt? Hast du auch wirklich jede Vorsichtsmaßnahme e r griffen, daß die Bestie nicht die Kinder anfallen kann?«
»Ich verbürge mich für Styx«, knurrte der Koch.
»Verbürg dich für die Sicherheit der Kinder! Du haftest mir dafür – mit deinem Kopf!«
»Wie stets, mein Gebieter!«
Der Bischof wandte sich zum Gehen. In der Tür wäre er fast mit Hamo zusammengestoßen, der ihn bereits g e sucht hatte.
»Die Gräfin hat sich mit Clarion zu ihrem Schiff in den Hafen begeben.« Hamo wandte sich erleichtert wieder um, der Bischof folgte ihm alarmiert.
Yarzinth hatte inzwischen Lorenz eingeholt und in ein Gesprach verwickelt. Eher beiläufig erwähnte er die Zei t not, die Ungeduld Pians, das Mißgeschick oder g e nauer die Mißlichkeit des schreibunkundigen Benedikt und die schmerzenden Finger des William.
Ohne Umschweife bot sich Lorenz an, seinen Brüdern im Keller beim Schreiben zu helfen. Der Koch unterschlug sein eigenes Interesse an diesem Samariterdienst; denn der Bischof hatte ihm bereits angedroht, nun doch noch seine Schreibfähigkeit in den Dienst der ›Ystoria Mong a lorum‹ zu stellen. Nur der Hinweis auf die vordringliche Fabrik a tion der päpstlichen Bestallungsurkunde hatte ihn vorerst gerettet.
Er geleitete Lorenz erfreut in den Keller, ließ den Mö n chen ein opulentes Mahl auftischen und eröffnete den Ki n dern, daß sie heute nacht hier bei ihren Freunden schlafen dürften. Freudengeheul.
Freudiges Wiedersehen auch bei den drei Franziskanern. »Drei Jahre ist es her, daß ich dich gesehen habe, L o renz«, rechnete der Pole gerührt nach. »Damals steckte dich der Graue Kardinal noch wegen Aufsässigkeit in den Karzer; heute bist du Legat.«
»Ach, lo spaventa passeri, unsere Vogelscheuche!« lachte der kleine Minorit. »Was meinst du, was er erst mit William anstellen würde, wenn der ihm in die Finger geri e te!«
»Schlimmer als hier, Schreibsklave unseres hochm ö genden Bruders Pian, der sich auf meiner Wirbelsäule und Fingergelenke Kosten ewigen Ruhm als Historiker erwe r ben will, kann es mir nicht mehr gehen! Lös mich bitte ab, für eine kleine Weile, lieber Herr Legat!«
Gavin, der Templer, traf den Bischof beim Nachtmahl an, das er mit Hamo im Speisesaal einnahm. Sie waren schon beim Nachtisch angelangt, zu dem die Küche Marzipang e bäck und frische Feigen geschickt hatte, mit geschr o tetem Pfeffer überstreut, glasierte Datteln, in denen Wa l nüsse eingelegt waren, kandierte Kastanien und Mande l küchlein. Sie tranken dazu den heißen, bitteren Sud indischer Te e blätter, denen beim Aufguß etwas wilde Minze, ein Stück eingelegter Ingwerwurz und die Schale der grünen Zitrus f rucht beigegeben war. Davon boten sie auch dem Präzeptor an.
»Was habt Ihr uns über das Wohlbefinden unseres e r lauchten Gastes zu berichten?« plauderte der Bischof, w e nig gewillt sich für Pians Zustand wirklich zu intere s sieren.
Dementsprechend fiel auch die Antwort aus: »Der Herr del Carpine fühlt sich weder wohl noch als Gast! Sein ei n ziger Seelenbalsam besteht aus den ungeduldig erwa r teten Seiten beschriebenen Pergaments, die ihm täglich mit se i ner Mahlzeit serviert werden, das Produktionse r gebnis des
Weitere Kostenlose Bücher