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Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Titel: Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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versumpften Hafenanl a gen des Claudius ins Meer mündet, hatten sich von dem Passagier außer dem festgesetzten Fährlohn kein ordentl i ches Trinkgeld versprochen. Dennoch willigten sie ein. Er war ein grobschlächtiger Dominikaner unbestimmten A l ters, wohl ein Welscher, der, die schwarze Kapuze tief ins kantige Gesicht gezogen, wortkarg über ihr Lamento hi n weggegangen war. Doch fühlten sie auch während der Fahrt seine harten Augen auf sich gerichtet, daß sie die ü b lichen Scherze unterließen und fast mißmutig ihre anstre n gende Arbeit verrichteten. Um so ve r blüffter waren sie, als er sie mit einer französischen Goldmünze entlohnte, bevor er unterhalb der Engelsburg an Land sprang. Er nahm krä f tigen Schritts die Uferböschung, doch bevor er den hera b hängenden Glockenstrang ziehen konnte, öffnete sich die hochgelegene schmale Pforte wie ein Fallsteg, den er steil hinaufsteigen mußte; und schon hatten die Mauern die dunkle Gestalt verschluckt.
    Vitus von Viterbo war kein Franzose, er stammte aus der Umgebung der nördlichsten Bastion des Kirchensta a tes. Die Viterbesen galten, oft ungefragt, als besonders päps t lich, dafür sorgten schon die Capoccios; und in deren Dienst stand Vitus, auch noch, als ihn der Papst nach Paris entsandt hatte, weniger um ein Ohr dicht an den Lippen des frommen Ludwig zu haben, als vielmehr de s sen eifrige Frömmigkeit in die richtigen Bahnen zu le n ken. Doch auch als Beichtvater des Königs war Vitus ein Mann Capoccios geblieben. Ihm zu berichten war er nach Rom gekommen.
    Er kannte sich aus in dem Gewirr von Korridoren und Rampen im Bauch des Grabmals, das Generationen von Schut z s uchenden oder die Öffentlichkeit fliehenden Päp s ten wie nachträglich eingezogenes Gedärm samt Mägen, Nieren und Testikel in den Tumulus des Hadrian gewühlt hatten. Durch Öllämpchen nur schwach erleuc h tet, zog sich der Gang auch für den Eingeweihten gleic h sam durch ein dreidimensionales Labyrinth, stieg an, wenn er in die Tiefe gleiten wollte, schraubte sich in Spiralen im Zickzack, wenn er verborgene Zugänge meiden, zu Falltüren führen sollte.
    Kein Wachsoldat trat ihm entgegen, verlangte Paßwort oder griff ihn ab nach versteckten Waffen – das Castell Sant ’ Angelo bewachte sich selber. Es war die geheime Kommandozentrale der Kurie; hier lagerten in trockenen Kammern die archivi secreti, reihten sich die Truhen der Kriegskasse unter eisernen Gittern in einer aufgelassenen Zisterne, und zuunterst moderten »auf unbestimmte Zeit« in den Grüften personae sine gratia, von denen der Stuhl Petri seine gütige Hand abgezogen hatte.
    Mit der Sicherheit, die langjähriger Dienst verleiht, durchschritt Vitus auf klobigen Pfeilern ruhende Bögen, passierte brückenartig schwebende Balustraden, von d e nen Flaschenzüge ihre dicken Taue abspulten, um ihre Last in nicht identifizierbaren Verliesen abzusetzen, Treppenkä s ten nach oben in die Veduten und Gesimse stießen, um – dem Auge unsichtbar – Auslässe zu bedi e nen, von denen nur die wußten, die sie zu bedienen hatten, ob sie ins Nichts oder in neue Gewölbe zielten.
    Endlich öffnete sich vor ihm der große Saal der »Mappa Mun-di«. Das erste Mal, daß er Menschen sah. Zwei Fra n ziskaner turnten auf einem Leitergerüst herum, das vor die Weltkarte geschoben war, die drei Wände des Raumes vom Boden bis zur Kuppel bedeckte. Sie begann im äußersten Westen mit dem Oceanus, dem Welte n meer, bevor sich beim Dschebel al-Tarik das Wüste n reich des Miramolin und El Andaluz berührten. Das M a re Nostrum wallte in Kopfhöhe über der mauretanischen Küste mit ihren Skl a venmärkten, knickte bei Karthago, dem Her rs chaftsbereich des Emir von Tunis, in die mit t lere Wand mit der Bucht der Syrte, erhob sich wieder mit der Cyrenaica, unterhalb derer sich (hic sunt leones) die Wüste bis zur Fußleiste erstrec k te, bis dann mit dem E r reichen der dritten Wandfläche das Delta des Nils sich in sein Blau ergoß, dessen Armen Kairo wie ein funkelnder Reif aufgesetzt war und dessen mächt i ger Lauf auf dem verbleibenden Sockelrest nicht versicke r te. Bei Gaza stieg dann unvermittelt das Heilige Land e m por, die Terra Sancta , mit einem Jerusalem im Strahle n kranz, Divina Hierosolyma – das Damaskus der feinen Klingen und Stoffe und des Paulus, dann das babylonische Bagdad, all die vielen Städte des Kalifen um sich herum verblassend hinter sich lassend. Und noch weiter im Osten die terra incognita der

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