Gran Reserva
wieder zu mir. Er wolle San Millán anflehen, ein großes Unglück zu verhindern. Eines, das aus einer großen Ungerechtigkeit entstehen würde. Deshalb sei er nach Rioja gekommen, doch er wüsste nicht, ob sein Vorhaben von Erfolg gekrönt sein würde. Ich fragte ihn, von welchem Unglück er spreche, und er antwortete: das Schlimmste. Dann fing er abermals zu beten an. Da wusste ich, dass er mehr nicht sagen würde. Ich bot ihm an, gemeinsam hoch nach Suso zu fahren, wo sich zwar nicht das Grab des Heiligen befindet, seine Kraft jedoch am stärksten wirkt. Er war sofort einverstanden, und wir stiegen in den nächsten Bus – für Privatwagen ist der Weg verboten. Die Klosterkirche ist über den Höhlen errichtet, in denen Millán und seine Schüler lebten, und ich verschaffte ihm Zutritt zu der ansonsten abgesperrten Höhle des Heiligen, damit er dort beten konnte. Ich gewährte ihm einige Zeit allein, doch dann musste ich ihn in seinem Gebet stören und wieder hinausbitten, da eine Besuchergruppe eintraf. Mehr habe ich Ihnen leider nicht zu sagen. Danach verabschiedeten wir uns, und ich wünschte ihm, dass Gott mit ihm sei. Nun wurde er getötet, und wieder einmal erscheinen mir Gottes Wege unergründlich.«
Als sie sich zum Gehen gewendet hatten, rief ihnen der Mönch hinterher: »Eine Sache fällt mir noch ein, auch wenn ich Ihnen damit wohl nicht weiterhelfen kann. Bei unserer Verabschiedung fiel mir auf, dass seine Fingernägel dunkle Ränder hatten, als hätte er gerade erst im Dreck gewühlt.«
Cristina wollte plötzlich nicht mehr auf den nächsten Bus warten und entschied deshalb, dass sie zu Fuß zum kleinen Kloster Suso gehen würden. Max verstand nicht recht, was Cristina da oben wollte, aber es schien ihr sehr wichtig zu sein, deshalb widersprach er lieber nicht. Sie konnten Suso bereits oben auf dem Hügel sehen und würden sicher nur einige Minuten brauchen.
Das stellte sich jedoch als optische Täuschung heraus. Es war bedeutend steiler und weiter als von ihm angenommen. Im Vergleich zu Yuso wirkte das wie ein Vogelnest am Hang klebende Kloster eher wie eine Kapelle. Als Max und Cristina endlich oben angelangt waren, schlossen sie sich einer gerade eintreffenden Besuchergruppe an, denn Eintritt war nur mit einem Führer erlaubt, und dieser begann gerade vor dem Eingang mit seinem Monolog.
Max hielt es nicht mehr aus. »Sagst du mir jetzt endlich, warum du unbedingt hier hoch wolltest, oder soll ich es aus dem Stand der Sonne ablesen?«
»Kannst du das denn?« Sie sah ihn frech an.
»Jetzt spuck es schon aus!«
Die Touristenführerin blickte zu ihnen herüber, Cristina kam mit dem Mund nah an Maxʼ Ohr und sprach leise hinein.
»Woher stammte wohl der Dreck, den Alejandro Escovedo unter den Nägeln hatte? Als sie in der Kirche zusammen gebetet haben, sind dem Mönch die dreckigen Nägel noch nicht aufgefallen. Warum? Weil sie da noch nicht dreckig waren. Das hätte er sehen müssen. Also bleibt die Frage: Wobei hat er sie sich hier oben so schmutzig gemacht?«
Max dachte darüber nach, dann öffnete der Führer die Klostertür und führte sie an mehreren Steinsärgen vorbei den Weg hinauf ins Innere des Klosters. Die Decke war hoch in dem dunklen, großen Raum, massive Pfeiler trugen sie. Max erkannte romanische und westgotische Stilelemente, die den Kirchenbau prägten, der bis an den Fels gebaut war und so die Höhlen vor Wind und Wetter schützte. Es handelte sich um Einbuchtungen im Stein, doch niemals so tief, dass man ihr Ende nicht sehen konnte.
»Das ist die Höhle San Milláns, das weiß ich noch von unserer Führung damals. Lenk die Gruppe ab!«
»Und wie soll ich das machen?«
»Dir fällt schon was ein. Los, sonst kann ich nicht unbemerkt rein und nachschauen.«
Max ging hinüber zu der Gruppe, ohne zu wissen, was er tun sollte. Einige streunten schon in der Klosterkirche herum, irgendwer würde Cristina auf jeden Fall sehen.
Es sei denn…
Ja, das könnte klappen.
Was für ein Glück, dass er einst mit einer Weinkönigin arbeiten musste, die eine ganz einfache Methode hatte, wenn sie in all dem Trubel mal ihre Ruhe haben wollte.
Bumm.
»Der Mann da ist zusammengebrochen!«
»Ist hier ein Arzt?«
»Stabile Seitenlage, schnell!«
»Eben sah er noch ganz gesund aus, und dann ist er einfach so in sich zusammengesackt.«
»Lasst mich, ich weiß, wie Mund-zu-Mund-Beatmung geht!«
»Er atmet doch noch!«
»Puls ist schwach, aber stabil.«
Schwächeanfall. Man musste nur
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