Gran Reserva
sterben!«
»Fahr rechts ran.« Max bekam es ein wenig mit der Angst zu tun.
»Was? Ich fahr nicht rechts ran. Wir fahren jetzt nach San Millán de la Cogolla.«
»Fahr rechts ran. Sofort!«
Er griff ihr wieder ins Lenkrad, wofür er eine Ohrfeige kassierte. Doch der Wagen stand.
Mitten auf der Straße.
»Wie kannst du so was sagen?«, rief Max. »Dass du sterben willst?«
Cristinas Kopf sank herunter. »Was weißt du denn schon? Kommst nach Rioja und meinst, du wüsstest alles, fängst an rumzuschnüffeln wegen eines Toten und machst alles nur noch schlimmer.« Sie schlug mit den Fäusten auf das Lenkrad ein. »Machst es schlimmer und schlimmer!«
Max griff ihre Hände, die nun nach ihm schlagen wollten.
»Ich bin dir unglaublich dankbar für das, was du für mich getan hast, Cristina. Es bedeutet mir viel. Du hast mich gerettet, ob aus Dankbarkeit, weil ich dir in der Nacht geholfen habe, oder weil du etwas für mich empfindest – du musst mir nicht sagen, warum. Vielleicht war es eine Mischung aus beidem. Vor allem aber, weil du ein guter Mensch bist und keinen Unschuldigen im Gefängnis lassen konntest. Wir werden den Mörder finden, hörst du, und dann wirst du die Aussage zurücknehmen, und ich werde sagen, dass ich die Leiche in den Ebro geworfen habe. Dann wirst du wieder reingewaschen. Wir werden den Täter schnell finden, ja? Vielleicht schaffen wir es, bevor dein Großvater von der Sache Wind bekommt. Warum sollte die Polizei es auch an die große Glocke hängen, dass du mir ein Alibi verschafft hast? Dafür gibt es doch gar keinen Grund.«
Er ließ ihre Hände wieder los. Sehr langsam, um bei Gegendruck schnell wieder zupacken zu können. Doch es kam keiner. Sie legte die Hände nur aufs Steuer.
»San Millán de la Cogolla.«
Dann huschte der Anflug eines Lächelns über ihr schönes Gesicht.
Kapitel 6
2007 – Ein Jahrgang mit wenig Ertrag, der dank technischem Know-how und einem langen, trockenen und sonnigen Herbst gerettet wurde. Die konstanteste Qualität findet sich in Rioja Baja, wo das Jahr gut balancierte, frische und elegante Weine erbrachte.
Ob es Gott war, der es gut mit San Millán de la Cogolla meinte, oder die Sonne selbst, war schwer zu sagen, doch über das im romanischen Stil erbaute Kloster Yuso ergoss sich kübelweise gleißendes Licht. Die Anlage wirkte völlig überdimensioniert, geradezu eingekeilt in das Tal. In Madrid, Paris oder Rom hätte man solch ein Ensemble erwartet, aber nicht im Nirgendwo der Rioja. Umgeben von sattgrünen Hügeln, stieß der Kirchturm hoch in den Himmel, die unterschiedlichen Rot- und Brauntöne der Schindeln und das helle, sandfarbene Mauerwerk verströmten einen alten Frieden. Der Besucherparkplatz war bereits nahezu voll, sieben große Busse standen dicht an dicht auf den für sie vorgesehenen Flächen. Cristina stieg aus, streckte die Hände hoch in die Luft und nahm einen tiefen Atemzug.
»Gut ist die Luft hier. So frisch. Es ist schon Jahre her, dass ich in Cogolla gewesen bin. Als Kind, mit der Schulklasse. Ich habe es gehasst. Aber natürlich mussten wir hierhin, zur Geburtsstätte der spanischen Sprache.« Sie wies auf das Kloster Yuso. »Hier verfasste ein Mönch die berühmten Glosas Emilianeses in Navarro-Aragonesisch, das mit dem Spanischen eng verwandt ist. Übrigens inklusive einer Zeile über die Vorzüge des heimischen Weines. Und baskische Notizen gibt es auch. Also noch eine Wiege. Kannst du dir ungefähr vorstellen, wie spannend es für ein junges Mädchen ist, sich uralte Texte anzuschauen?«
»Du musst nicht meinen, dass ich als Kölner Junge nicht genauso gequält worden wäre. Ich sage nur: Maria Laach. Sagt dir wohl nichts – sei froh darüber.«
»Wollen wir die Tour machen?«
»Warum nicht? Das verschafft uns einen Überblick, und vielleicht bietet sich ja irgendwo die Gelegenheit, jemanden nach Escovedo zu befragen.«
Sie machten die Führung, und Max merkte sich kein einziges Detail. Wie konnte man so spannende Geschichte so langweilig erklären? Die Tour fiel eindeutig unter das Betäubungsmittelgesetz. Wo lernten die Touristenführer das bloß? Auf der Komastation?
Die opulente Kapelle, der Elfenbeinschrein, welcher die Gebeine des heiligen Millán enthielt, und der dunkle Raum, in dem die lichtempfindlichen, uralten Bücher gelagert wurden, beeindruckten ihn allerdings sehr.
Die ganze Zeit hielten Cristina und er Ausschau nach jemandem, den sie zu Alejandro Escovedo befragen konnten. Andererseits
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