Granger Ann - Varady - 01
wie hinter meiner! Du hast nie irgendwelches Interesse am Gestüt gezeigt, und du bist außerdem erfolgreich mit
deinem eigenen beruflichen Fortkommen beschäftigt. Weder
du noch Alastair benötigen Geld. Mit Ausnahme von ein paar
persönlichen Hinterlassenschaften habe ich daher alles Theresa
vermacht. Mit »alles« meine ich das Gestüt, sämtliche Besitztümer einschließlich dieses Hauses und meine persönliche Habe und mein Vermögen, nachdem sämtliche Verbindlichkeiten
beglichen sind. Ich habe mit Alastair darüber gesprochen, und
er hält es für die beste Entscheidung. Ich hoffe, auch du bist zufrieden damit. Theresa wird dadurch zu einer wohlhabenden
jungen Frau, und du wirst nie wieder finanzielle Belastungen
ihretwegen zu tragen haben. In Anbetracht deiner neuerlichen
Eheschließung (die dir zu gegebener Zeit wohl eine neue Familie schenken wird), bin ich sicher, dass du meine Entscheidung
als große Erleichterung betrachten wirst.
Theresa war in letzter Zeit ein wenig wild und hat uns
mancherlei Sorgen bereitet. Doch das ist das Vorrecht der Jugend. So Gott will, bleiben mir noch ein paar Jahre zu leben,
und wenn der Zeitpunkt gekommen ist, an dem sie ihr Erbe
antritt, wird sie älter und klüger sein und bereit, sich niederzulassen. Sie hat gute Anlagen und einen hellen Kopf, und ich
zweifle nicht daran, dass sie zurechtkommen wird.
Ich habe es Jamie bereits gesagt. Er ist wahrscheinlich enttäuscht, nachdem er so hart gearbeitet hat. Doch er ist kein so
naher Verwandter, und außerdem, so denke ich, gehört er zu
den Menschen, die jemanden über sich brauchen. Würde man
ihn völlig in Ruhe sich selbst überlassen, könnte sich die Versuchung einer größeren Summe Geldes als zu stark erweisen, und
er würde das Gestüt verkaufen. Ich glaube nicht, dass Theresa
so etwas tun würde. Sie weiß, wie viel mir das Gestüt bedeutet
hat. Zu schade, dass unsere Familie so klein ist.
Der Brief schloss mit einer Reihe von allgemein gehaltenen
Bemerkungen.
Ich setzte mich zurück und überlegte angestrengt. Der
Brief hatte einen leicht ironischen Unterton, der mir ausnehmend gut gefiel. Es war nicht zu überhören, dass Ariadne Philips Wiederheirat nicht guthieß. Sie hatte nicht im
mindesten die Absicht, nur einen Penny ihres Geldes in die
Hände dieser neuen Frau oder irgendeines Kindes fallen zu
lassen, das aus dieser Ehe hervorging. Der arme alte Philip
war sprichwörtlich enterbt worden. Sie hatte es mit freundlicheren Worten gesagt, doch genau das war geschehen, und
Philip wurde darüber nicht im Zweifel gelassen.
Der Brief war Dynamit. Vermutlich wusste Ariadne nichts
davon, dass er in Terrys Hände gefallen war, und deswegen
hatte Terry sich so viel Mühe gemacht, ihn zu verstecken. Wie
war sie überhaupt in seinen Besitz gelangt? Hatte Philip ihr
den Brief gezeigt oder ihn ihr sogar geschickt? War sie durch
Zufall unter den Papieren ihres Vaters darauf gestoßen und
hatte ihn einfach an sich genommen? Hatte Ariadne – oder
sonst irgendjemand – Terry jemals offen gesagt, dass sie eines
Tages Ariadnes gesamtes Vermögen erben würde? Und ein
Vermögen war es ganz bestimmt. Oder hatten Alastair und
Ariadne es für unklug gehalten, einem so jungen Mädchen zu
verraten, dass es eines Tages sehr, sehr reich sein würde?
Ich riss mich zusammen. Spekulationen waren gefährlich.
Trotzdem war ich sicher, dass ich eine äußerst wichtige Information in Händen hielt. Sie warf ein neues Licht auf Terrys Ermordung. Janice Morgan hätte sicherlich eine Menge
darum gegeben, von diesem Brief zu erfahren.
Ich musste ihn sicher aufbewahren. Vor allen Dingen musste ich dafür sorgen, dass er Jamie nicht in die Hände fiel.
Ah, Jamie!, dachte ich. Auch er war mehr oder weniger
enterbt worden. Ariadne hielt ihn für unzuverlässig, obwohl
er »hart arbeitete«, schätzungsweise hier, im Gestüt, arbeitete. Aber jemand musste schließlich das Gestüt leiten. Weder
Alastair noch Ariadne machten den Eindruck, als wären sie
dazu imstande. Trotzdem glaubte Ariadne, dass Jamie bei
der ersten Gelegenheit verkaufen und das gesamte Vermögen innerhalb weniger Jahre verjubeln könnte. Ariadne
kannte ihn besser als ich, und nichts von dem, was ich bisher von ihm gesehen hatte, ließ mich an ihrem Urteil über
Jamie zweifeln.
Ich versuchte das Kaninchen wieder so herzurichten, als
hätte ich es nicht angerührt. Ich konnte den Schlitz im
Bauch nicht zusammennähen, doch ich zog den Stoff zusammen, und es
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